Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit
Autoren: Susanne Kliem
Vom Netzwerk:
frieren, hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen. Gleichzeitig sah er verschwitzt aus, sein Haar klebte feucht am Kopf. Lammert drückte die Pausentaste des Aufnahmegeräts.
    »Einen Kaffee?«, fragte er den Georgier.
    »Ja, bitte.«
    Die Kommissare verließen zu dritt den Raum.
    »Wie siehst du denn aus?«, fragte Lammert Zagrosek. »Hast du dich in einem Acker gewälzt?«
    »Hat er«, meinte Kleinschmidt grinsend. Er berichtete Lammert von Zagroseks Rettungsaktion.
    »Gut gemacht.« Lammert nickte Zagrosek zu.
    »Wie weit bist du da drin?«, fragte Kleinschmidt mit Blick in Guram Tsiklauris Richtung.
    »Es ist zäh. Ich habe ein Geständnis von ihm, was die Zerstörung der Tannenkultur angeht. Er hat mit drei Helfern die Spitzen abgeschlagen. Dieser Typ, den ihr mit ihm zusammen in der Halle geschnappt habt und noch zwei andere Deutsche. Die haben alle schon mal als Erntehelfer gearbeitet, die wussten genau, was sie da anrichten.« Lammert holte Luft. »Aber wenn die Sprache auf Konrad Verhoeven und den Brand kommt, blockt er. Mit Verhoevens Tod will er nichts zu tun haben. Am vierten Dezember wäre er nicht in Deutschland, sondern zuhause im Kaukasus gewesen.«
    »Kann er das beweisen?«, fragte Zagrosek. »Ein Visum hat er nicht gebraucht, also gibt’s auch keine Stempel im Pass. Aber was ist mit Flugtickets?«
    »Hat er nicht mehr. Nur noch ein Rückflugticket, gebucht auf den sechzehnten Dezember, das hat er verfallen lassen. Maxi checkt gerade die Buchungen bei den Airlines.«
    »Willst du ’ne Pause?«, sagte Kleinschmidt.
    »Gern. Ich hol euch Kaffee.« Lammert verschwand Richtung Geschäftszimmer.
    »Willst du . . .?«, fragte Kleinschmidt. Zagrosek nickte und Kleinschmidt ließ ihm den Vortritt.
    Zagrosek setzte sich Guram gegenüber und drückte auf ‚Aufnahme’. Kleinschmidt blieb im Hintergrund stehen.
    »Sie haben erzählt, Sie sind Samenhändler?«, fragte Zagrosek. »Was machen Sie da genau?«
    Guram wippte nervös mit einem Bein. »Ich mache Geschäfte mit deutschen Samenhändlern und Baumschulen. Sie bestellen Nordmannsamen, ich liefere. Sie sparen sich die Reise in den Kaukasus, ich komme her und bringe ihnen georgische Qualitätssamen.«
    »Macht Ihnen der Beruf Spaß?«
    Guram stieß Luft durch die Nase aus. »Macht Ihnen Ihr Job etwa Spaß?«
    »Manchmal«, meinte Zagrosek. »Aber wenn ich ehrlich bin – heute nicht.«
    Lammert kam mit einem Tablett und drei Tassen Kaffee.
    »Haben Sie Familie, Kinder?«, fragte Zagrosek.
    »Zwei Söhne habe ich.« Guram schien sich ein wenig zu entspannen. Er nippte an dem heißen Getränk.
    »Sie reisen ins Ausland, Sie sprechen fließend Deutsch. Können Sie gut leben von Ihrem Job?«, fragte Zagrosek.
    »Mir geht es besser als den meisten. Das Geschäft läuft gut. Ich habe mir geschworen, nie wieder arm zu sein. Mein Vater war Pflücker. Für einen Hungerlohn ist er auf dreißig, vierzig Meter hohe Tannen gestiegen. Hat sein Leben riskiert. Und musste sich behandeln lassen wie den letzten Dreck.«
    »Von Leuten wie Konrad Verhoeven?«, fragte Zagrosek.
    Guram schwieg.
    »Hat Ihre Mutter später wieder geheiratet?«
    Gurams Gesicht nahm einen verbitterten Ausdruck an. »Niemand hätte sie mehr genommen. Und schuld daran war Konrad Verhoeven. Als ich älter wurde, habe ich begriffen, was die Nachbarn redeten. Meine Mutter habe ihren Ehemann betrogen. Habe sich mit einem Fremden eingelassen. Weil sie dachte, er würde sie mitnehmen ins reiche Deutschland. Ich habe jedem eine rein gehauen, der diese Lügen verbreitet hat. Ich habe meine Mutter verehrt wie keinen anderen Menschen.«
    Guram schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Deshalb bin ich Samenhändler geworden, nicht Pflücker wie mein Vater. Er hat sich von den Ausländern herum schubsen lassen. Ich wollte Macht, wollte es ihnen zeigen, das Sagen haben, die Preise diktieren.« Er sah auf. »Vor drei Monaten ist meine Mutter gestorben.«
    Zagrosek beugte sich vor. »Und vorher hat sie Ihnen gesagt, dass Konrad Verhoeven Ihr Vater ist?«
    Guram zögerte, nickte.
    »Sie sind nach Deutschland gefahren, um sich zu rächen?«
    Guram zog die Mundwinkel nach unten. »Ich habe versucht, damit fertig zu werden. Einen fremden Vater zu haben, diesen Vater, und eine Mutter, die mich all die Jahre belogen hat. Die ihren Ehemann betrogen hat. Ich habe für ihre Ehre gekämpft. Und sie . . .« Er biss auf seiner Lippe herum. »Aber niemals werde ich glauben, dass sie das freiwillig getan hat. Konrad Verhoeven
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher