Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit
Autoren: Susanne Kliem
Vom Netzwerk:
dröhnte die Fräse. Da öffnete Lars Schäffer die Augen, er starrte auf die Stahlmesser, die sich unerbittlich drehten. Er begann zu schreien, heiser und schrill zugleich.
    Die Messer näherten sich, gruben sich in die Erde, zerhäckselten die Baumstümpfe und Wurzeln.
    Zagrosek brüllte so laut er konnte: »Stopp! Stopp!« Er kam auf die Beine, drehte Lars Schäffer auf den Rücken, fasste ihn unter den Armen und zog. Schäffers Rumpf klemmte zwischen Baumstümpfen und ließ sich kaum bewegen.
    Zagrosek zog seine Waffe und zielte auf den Führerstand des Traktors. Die Scheinwerfer blendeten, er konnte Wolf Hendricks nicht sehen. »Stopp! Oder ich schieße!«
    Die Fräse grub weiter. Holzreste und Erdklumpen spritzen hoch in Zagroseks Gesicht. Er schoss.
    Das Dröhnen wurde leiser, Zagrosek hörte laute Fußtritte auf den Eisenstufen. Wolf Hendricks flüchtete. Zagroseks Erleichterung währte keine Sekunde, da begriff er: Der Motor lief weiter, die riesige Maschine fuhr noch immer auf sie zu. Zagrosek keuchte vor Angst und Entsetzen. Er wuchtete Schäffers Oberkörper vom Boden hoch und zog ihn gleichzeitig zur Seite. Das ging besser, aber immer noch viel zu langsam. Nur noch Sekunden, und sie würden beide sterben!
    Plötzlich wurde Schäffers Stiefel in die Luft geschleudert. Zagrosek stemmte die Beine in den weichen Boden, zog Schäffers Körper mit aller Kraft weg von der Fräse. Würde es reichen? Gleich griffen die Stahlmesser nach Schäffers Bein, gleich rissen sie seinen Körper mit, begruben ihn unter sich. Lars Schäffer hatte aufgehört zu schreien, sein Mund stand noch offen, seine Augen verdrehten sich. Da stoppte die Fräse. Die Maschine stand.
    Zagrosek verlor den Halt, er kippte nach hinten, Schäffer fiel halb auf ihn.
    Es war unglaublich still. Zagrosek schob Schäffers Körper vorsichtig zur Seite, bis er sich selbst bewegen konnte. Schäffers Beine sahen unversehrt aus. Aber seine Kopfwunde blutete noch immer.
    Zagrosek tastete nach seinem Handy. Kleinschmidt ging sofort dran. Zagrosek verhaspelte sich fast, so schnell redete er: »Werner, ruf einen Rettungswagen! Schäffer hat eine Kopfverletzung. Wolf Hendricks hat versucht, ihn zu töten. Hendricks ist flüchtig. Wir sind auf einem abgeholzten Feld, sehr nah beim Hof von Hendricks, etwas südlich in Richtung Kleinenbroich, hier steht ein Traktor mit eingeschalteten Scheinwerfern. Mach schnell!« Sie legten auf.
    Schäffer stöhnte. »Zagrosek . . .« Seine Augenlider flatterten. Er versuchte, etwas zu sagen! Zagrosek näherte sich mit dem Ohr seinem Mund. Er verstand nur Wortfetzen. »Taschenlampe . . . Felix . . . Lampe . . .«
    »Schäffer! Wissen Sie, wo Felix ist?«
    »Nein . . . Taschenlampe . . . Wolf . . .« Lars stöhnte wieder.
    »Okay. Später«, flüsterte Zagrosek. »Jetzt nur nicht anstrengen.«
    Schäffer verlor erneut das Bewusstsein. Zagrosek bemerkte erst jetzt, wie kalt ihm selbst war. Alle Kraft war aus seinen Gliedern gewichen, er verspürte ein übermächtiges Bedürfnis, sich hinzulegen und die Augen zu schließen.
    Nach fünf Minuten, die ihm erschienen wie eine Ewigkeit, sah er, wie sich ein Wagen auf dem Feldweg näherte. Jemand stieg aus.
    »Hilfe!«, rief Zagrosek. »Hier! Werner! Hier!«
    Eine Taschenlampe blendete auf. Der Schein schwenkte in seine Richtung. In der Ferne Blaulicht. Auf der Landstraße fuhr ein Rettungswagen heran, parkte am Rand der Plantage. Ein Notarzt und ein Sanitäter rannten herbei, untersuchten Schäffers leblos scheinenden Körper. Der Notarzt gab knappe Anweisungen.
    Kleinschmidt ging vor Zagrosek in die Hocke. »Tom! Bist du auch verletzt?«
    Zagrosek schüttelte den Kopf. Er zitterte am ganzen Körper. Kleinschmidt ließ sich von den Sanitätern eine Decke geben und legte sie um Zagroseks Schultern.
    »Tom. Hast du Schmerzen?«
    »Ich habe auf Wolf Hendricks geschossen«, sagte Zagrosek, doch er konnte seine eigene Stimme kaum hören. In seinem Kopf dröhnte noch immer die Fräse. »Sieh mal nach«, versuchte er es noch einmal, lauter. »Sieh mal nach, ob du eine Taschenlampe finden kannst.«
    Kleinschmidt leuchtete die Umgebung ab, kletterte dann auf den Führerstand des Traktors. Als er zurückkam, hatte er eine große Taschenlampe in der Hand. Um den Griff war rotes Klebeband gewickelt.
    »Gehört die Wolf Hendricks?«, fragte Kleinschmidt.
    »Ja, Lars Schäffer hat . . .« Zagrosek kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Sie hörten ein Keuchen. Jemand rannte herbei. Es war Gesa
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher