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Die Jury

Titel: Die Jury
Autoren: John Grisham
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Noose.
    »Warum sollten die Beratungen nicht im Motel stattfinden?« fuhr Buckley zuversichtlich fort. »Nur wenige Personen kennen es. Dort ist die Jury ungestört.«
    Noose wandte den Kopf. »Jake?«
    »Nein, das klappt nicht. Sie haben nicht das Recht, Beratungen außerhalb des Gerichtsgebäudes zu gestatten.« Brigance griff in die Tasche, holte mehrere zusammengefaltete Zettel hervor und warf sie auf den Schreibtisch. »Der Staat Mississippi gegen Dubose – ein Fall, der 1963 in Linwood County verhandelt wurde. Während einer Hitzewelle fiel die Klimaanlage im dortigen Gericht aus. Der zuständige Richter erlaubte den Geschworenen, sich in der Ortsbibliothek zu beraten. Die Verteidigung erhob Einspruch. Die Jury verurteilte den Angeklagten, und beim Berufungsverfahren kritisierte das oberste Gericht die Entscheidung des Richters und bezeichnete sie als Mißbrauch seines Ermessensspielraums. Die Beratungen der Geschworenen müssen im Gerichtsgebäude stattfinden. Ein anderer Ort kommt nicht in Frage.«
    Noose blickte auf die Zettel und reichte sie Musgrove. »Bereiten Sie den Saal vor«, wies er Mr. Pate an.
    Abgesehen von den Reportern saßen nur Schwarze auf den Zuschauerbänken. Die Jurymitglieder wirkten müde und abgespannt.
    »Ich nehme an, Sie haben noch kein Urteil gefällt«, sagte der Richter.
    »Nein, Sir«, bestätigte Barry Acker.
    »Bitte beantworten Sie folgende Frage, ohne dabei Einzelheiten der bisherigen Abstimmungen zu nennen: Sind Sie an einem Punkt angelangt, der eine Einigung unmöglich erscheinen läßt?«
    »Wir haben darüber gesprochen, Euer Ehren. Wir möchten uns jetzt zurückziehen, schlafen und es morgen noch einmal versuchen. Vielleicht ist es doch noch möglich, eine einstimmige Entscheidung zu treffen.«
    »Freut mich, das zu hören. Ich betone noch einmal, wie sehr ich die Störungen bedauere, aber leider kann ich nichts daran ändern. Tut mir leid. Bitte geben Sie sich auch weiterhin Mühe. Sonst noch etwas?«
    »Nein, Sir.«
    »Gut. Das Gericht vertagt sich auf neun Uhr morgen früh.«
    Carl Lee berührte Jake an der Schulter. »Was bedeutet das alles?«
    »Es bedeutet, daß die Geschworenen in eine Sackgasse geraten sind. Vielleicht steht es sechs zu sechs. Oder elf zu eins gegen Sie. Oder elf zu eins für einen Freispruch. Regen Sie sich nicht auf.«
    Barry Acker wandte sich an den Gerichtsdiener und drückte ihm möglichst unauffällig ein zusammengefaltetes Blatt Papier in die Hand. Darauf stand:
    Luann: Fahr mit den Kindern zu deiner Mutter. Sprich mit niemandem darüber. Bleib dort, bis der Prozeß vorbei ist. Bitte mach dich sofort auf den Weg. Hier wird's gefährlich. Barry »Können Sie diese Nachricht noch heute meiner Frau zukommen lassen? Unsere Nummer lautet 881-0774.«
    »Natürlich«, erwiderte der Gerichtsdiener.
    Tim Nunley – Mechaniker bei der Chevrolet-Niederlassung, früherer Klient von Jake Brigance und Stammgast des Cafés – saß in einer Hütte tief im Wald und trank Bier. Er hörte seinen Klanbrüdern zu, als sie Whisky schlürften und Nigger verfluchten. Ab und zu fügte er einen eigenen Fluch hinzu. Seit zwei Nächten flüsterten die Kluxer aber miteinander, und Nunley spürte, daß sich etwas anbahnte. Er lauschte aufmerksam.
    Als er aufstand, um sich ein neues Bier zu holen, fielen die anderen plötzlich über ihn her. Drei seiner Kameraden stießen ihn an die Wand, schlugen zu und traten. Nach einigen gnadenlosen Fausthieben stopfte man dem Hilflosen einen Knebel in den Mund, fesselte ihn und zerrte ihn nach draußen, über den Kiesweg zur Lichtung, wo das Aufnahmeritual stattgefunden hatte. Dort band man ihn an einen Pfahl und zündete ein Kreuz an. Der Riemen einer Peitsche traf ihn an Schultern, Beinen und Rücken; Blut quoll aus Dutzenden von Striemen.
    Mehr als zwanzig Ex-Gefährten beobachteten mit wortlosem Entsetzen, wie man Benzin über den erschlafften Körper goß. Der Anführer steckte die Peitsche hinter den Gürtel, verharrte neben Nunley und schwieg eine Zeitlang. Dann verkündete er das Todesurteil und warf ein Streichholz.
    Jetzt konnte Mickymaus nichts mehr verraten. Die Kluxer streiften ihre Kutten ab und fuhren nach Hause. Die meisten von ihnen würden nie nach Ford County zurückkehren.
43
    M ittwoch. Zum erstenmal seit Wochen hatte Jake mehr als acht Stunden geschlafen. Er war auf der Couch in seinem Büro eingenickt und erwachte erst, als sich draußen die Soldaten aufs Schlimmste vorbereiteten. Er fühlte sich frisch und
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