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Die Jury

Titel: Die Jury
Autoren: John Grisham
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»Freiheit für Carl Lee!«
    Pünktlich um halb zwei entrollte Agee das Transparent, winkte die anderen Prediger zu sich und versammelte die Demonstranten. Er holte tief Luft und sang direkt ins Megaphon. Die Marschkolonne setzte sich erneut in Bewegung und kroch über die Jackson Street zur Caffey, um den ganzen Platz herum. Jede Runde lockte weitere Schwarze an, und die Lautstärke nahm zu.
    Als Reba Betts den Standpunkt der Unentschlossenen aufgab und sich der Nichtschuldig-Fraktion anschloß, war es in der Beratungskammer fünfzehn Minuten lang still. Sie meinte, als Opfer einer Vergewaltigung würde sie jede Chance nutzen, um den verdammten Mistkerl, der ihr das angetan hatte, ins Jenseits zu schicken. Es stand nun fünf zu fünf, und zwei Jurymitglieder hatten sich noch nicht entschieden. Ein Kompromiß schien unmöglich zu sein. Der Obmann hielt sich nach wie vor zurück. Die arme alte Eula Dell Yates weinte mehrmals und schloß sich erst der einen und dann der anderen Gruppe an. Alle wußten, daß sie schließlich mit der Mehrheit stimmen würde. Am Fenster brach sie einmal mehr in Tränen aus, und Clyde Sisco führte sie zu ihrem Stuhl. Sie wollte nach Hause und sagte, sie fühle sich wie eine Gefangene.
    Das Geschrei auf dem Platz blieb nicht ohne Wirkung. Als das Megaphon erneut vorbeikam, grenzte die Nervosität im Zimmer an Furcht. Acker richtete beruhigende Worte an seine Kollegen, und sie warteten ungeduldig, bis das Gros des Demonstrationszuges die vordere Seite des Gerichts erreicht hatte. Doch der Lärm sank nie auf ein erträgliches Niveau. Carol Gorman war die erste Geschworene, die das Sicherheitsproblem ansprach. Nach einer Woche gewann das ruhige, langweilige Motel plötzlich enorme Attraktivität.
    Drei Stunden mußten sich die zwölf pausenlose Sprechchöre anhören und waren mit ihren Nerven fast am Ende. Der Obmann regte an, von den jeweiligen Familien zu erzählen und zu warten, bis Noose sie um fünf in den Gerichtssaal riefe.
    Bernice Toole, die zögernd schuldig gestimmt hatte, schlug etwas vor, das die übrigen Geschworenen schon seit einer ganzen Weile beschäftigte: »Vielleicht sollten wir dem Richter mitteilen, daß wir uns nicht zu einem Urteil durchringen können.«
    »Dann stellt er das Verfahren ein, oder?« fragte Jo Ann Gates. »Ja«, antwortete Acker. »Und in einigen Monaten findet ein neuer Prozeß statt. Wie wär's, wenn wir die Beratungen für heute beenden und es morgen noch einmal versuchen?«
    Er erntete zustimmendes Nicken. Die Jury war noch nicht bereit, das Handtuch zu werfen. Eula Dell weinte leise.
    Um vier gingen Carl Lee und seine Kinder zu einem der großen Fenster des Gerichtssaals. Der Angeklagte bemerkte einen kleinen Knauf und drehte ihn, woraufhin das Fenster aufschwang. Ein schmaler Balkon schloß sich daran an, der über den Rasen ragte. Hailey nickte einem Deputy zu und trat nach draußen. Er hielt Tonya in den Armen und beobachtete die Menge.
    Die Demonstranten sahen ihn, riefen seinen Namen und drängten näher. Agee führte die Marschkolonne von der Straße über den Platz. Tausende von Schwarzen blickten nach oben zu ihrem Helden.
    »Freiheit für Carl Lee!«
    »Freiheit für Carl Lee!«
    Der Angeklagte winkte seinen Fans zu, küßte Tonya und umarmte ihre Brüder. Dann winkte er erneut und forderte die Kinder auf, seinem Beispiel zu folgen.
    Jake und seine Gefährten nutzten die gute Gelegenheit, um zum Gerichtsgebäude zu wanken. Jean Gillespie hatte angerufen: Noose wollte mit den Anwälten sprechen und erwartete sie in seinem Büro. Er war besorgt. Buckley tobte.
    »Ich verlange die Einstellung des Verfahrens! Ich verlange die Einstellung des Verfahrens!« heulte er, als Jake hereinkam.
    »So etwas verlangt man nicht«, sagte der Verteidiger und musterte den Bezirksstaatsanwalt aus glasigen Augen. »Man stellt einen entsprechenden Antrag, Gouverneur.«
    »Zum Teufel mit Ihnen, Brigance! Es ist Ihre Schuld. Sie haben diesen Aufruhr geplant. Das dort draußen sind Ihre Nigger.«
    »Wo ist die Protokollführerin?« fragte Jake. »Ich möchte, daß diese Bemerkung schriftlich festgehalten wird.«
    »Ich bitte Sie, meine Herren...« Noose seufzte. »Lassen Sie uns vernünftig sein.«
    »Euer Ehren, ich beantrage hiermit die Einstellung des Verfahrens«, sagte Buckley etwas vernünftiger.
    »Abgelehnt.«
    »Na schön. Dann beantrage ich, daß sich die Geschworenen an einem anderen Ort beraten dürfen.«
    »Eine interessante Idee«, murmelte
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