Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Jury

Titel: Die Jury
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
sie den Schutthaufen, der von Jakes Haus übriggeblieben war, aber sie sprachen nicht darüber, sondern schimpften auch weiterhin. Soldaten eskortierten den Greyhound aus Temple, und er erreichte den Platz um zwanzig Minuten nach neun. Die vierzehn Männer und Frauen darin starrten verblüfft nach draußen und beobachteten das Durcheinander vorm Gericht.
    Im Verhandlungssaal bat Mr. Pate die Anwesenden, sich zu erheben, und Noose begrüßte die Geschworenen. Er entschuldigte sich für das Geschehen auf dem Platz und meinte, leider könne er nichts daran ändern. Wenn es ansonsten keine Probleme gäbe, sollte die Jury jetzt ihre Beratungen fortsetzen.
    »Nun gut, ziehen Sie sich in die Beratungskammer zurück. Wir sehen uns kurz vor der Mittagspause wieder.«
    Die Geschworenen verließen den Saal. Tonya Hailey und ihre drei Brüder saßen beim Vater am Tisch der Verteidigung. Die nun überwiegend schwarzen Zuschauer blieben sitzen und plauderten miteinander. Jake kehrte in sein Büro zurück.
    Obmann Acker nahm am Ende des staubigen Tisches Platz und dachte an die vielen Bürger von Ford County, die im Verlauf der letzten hundert Jahre in diesem Zimmer über Gerechtigkeit diskutiert hatten. Der Stolz darauf, bei diesem berühmten Fall Jurymitglied zu sein, verflüchtigte sich, als er an die vergangene Nacht dachte. Barry überlegte, wie viele seiner Vorgänger Todesdrohungen erhalten hatten. Wahrscheinlich mehrere.
    Die Geschworenen setzten sich an den Tisch und tranken Kaffee. Der Raum weckte angenehme Erinnerungen in Clyde Sisco. Seine früheren Pflichten als Mitglied der Jury hatten sich als recht lukrativ erwiesen, und ihm gefiel die Vorstellung, für ein weiteres gerechtes Urteil belohnt zu werden. Allerdings: Sein Mittelsmann hatte noch keinen Kontakt mit ihm aufgenommen.
    »Wie sollen wir jetzt vorgehen?« fragte der Obmann. Rita Mae Plunk wirkte an diesem Morgen besonders ernst und grimmig. Sie war eine ungehobelte Frau, die in einem Wohnwagen lebte, ohne Ehemann und mit zwei nicht besonders gesetzestreuen Söhnen, die Carl Lee Hailey haßten. In ihrer großen Brust hatte sich Zorn angesammelt, der nun nach einem Ventil suchte.
    »Ich möchte etwas sagen«, teilte sie Acker mit.
    »Gut. Ich schlage vor, wir beginnen mit Ihnen, Miß Plunk. Jeder von uns äußert seine Meinung.«
    »Ich habe gestern für schuldig gestimmt, und ich werde auch weiterhin für schuldig stimmen. Es ist mir ein Rätsel, wie man den Angeklagten für unschuldig halten kann. Ich würde gern wissen, was einige von Ihnen dazu veranlaßt, dem Nigger mit Verständnis zu begegnen.«
    »Dieses Wort will ich nicht noch einmal hören!« rief Wanda Womack.
    »Ich sage so oft ›Nigger‹, wie ich ›Nigger‹ sagen möchte, und Sie können mich nicht daran hindern«, erwiderte Rita Mae. »Bitte verzichten Sie darauf, einen solchen Ausdruck zu benutzen«, ließ sich Frances McGowan vernehmen.
    »Er klingt wie ein Schimpfwort«, fügte Wanda Womack hinzu.
    »Nigger, Nigger, Nigger, Nigger, Nigger, Nigger!« kreischte Rita Mae.
    »Ich bitte Sie«, brummte Clyde Sisco.
    »Lieber Himmel...« Der Obmann seufzte. »Nun, Miß Plunk, um ganz offen zu sein: Vielen von uns kommt dieses Wort über die Lippen, ab und zu. Aber es gibt Leute, die es nicht gern hören, und ich meine, während der Beratungen sollten wir es aus unserem Vokabular streichen. Unsere Situation ist auch so schon schwierig genug. Können wir uns darauf einigen, das betreffende Wort nicht zu verwenden?«
    Alle nickten. Rita Mae bildete die einzige Ausnahme. Sue Williams hob die Hand. Sie war gut gekleidet, attraktiv, etwa vierzig Jahre alt und arbeitete für das Sozialamt der County. »Gestern habe ich nicht abgestimmt, aber ich neige dazu, Mr. Hailey Mitgefühl entgegenzubringen. Wenn meine Tochter einer Vergewaltigung zum Opfer fiele, bliebe das sicher nicht ohne Einfluß auf mich. Ich kann durchaus verstehen, daß ein Vater dabei durchdreht. Es ist unfair, davon auszugehen, daß Mr. Hailey klar bei Verstand war, als er die beiden Männer erschoß.«
    »Glauben Sie, er sei zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig gewesen?« fragte Reba Betts, eine Unentschlossene.
    »Ich bin nicht sicher. Aber eines steht fest: Die Vergewaltigung seiner Tochter hat ihn zutiefst erschüttert.«
    »Fallen Sie etwa auf den Unsinn des Psychiaters herein, der zugunsten des Angeklagten aussagte?« spottete Rita Mae. »Er war ebenso glaubwürdig wie der andere Arzt.«
    »Seine Stiefel gefielen mir«, warf Clyde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher