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Die Jury

Titel: Die Jury
Autoren: John Grisham
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Sisco ein. Niemand lachte.
    »Aber er ist ein verurteilter Verbrecher«, wandte Rita Mae ein. »Er hat gelogen und versuchte, es zu vertuschen. Einem solchen Mann kann man nicht glauben.«
    »Er trieb es mit einer Minderjährigen«, meinte Clyde. »Wenn das ein Verbrechen ist, müßten viele von uns vor Gericht gestellt werden.«
    Wieder reagierte niemand auf Siscos Versuch, humorvoll zu sein. Clyde beschloß, eine Zeitlang zu schweigen.
    »Später heiratete er das Mädchen«, sagte Donna Lou Peck, eine weitere Unentschlossene.
    Nacheinander erklärten die Geschworenen ihren Standpunkt und beantworteten Fragen. Jene Jurymitglieder, die sich für eine Verurteilung aussprachen, mieden das Wort Nigger. Allmählich wurden die Fronten deutlich: Offenbar tendierten die meisten Unentschlossenen dazu, den Angeklagten für schuldig zu befinden. Sorgfältige Planung des Verbrechens, die Suche nach einem Versteck im Gerichtsgebäude, die M-16 – alles schien auf Vorsatz hinzudeuten. Wenn Carl Lee die beiden Vergewaltiger auf frischer Tat ertappt und sie sofort umgebracht hätte, wäre er dafür nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Aber er traf sechs Tage lang Vorbereitungen, und dieser Umstand legte kühle Rationalität nahe.
    Wanda Womack, Sue Williams und Clyde Sisco neigten zu einem Freispruch, die übrigen Geschworenen zu einer Verurteilung. Barry Acker erwies sich als bemerkenswert unverbindlich.
    Agee entrollte ein langes, blauweißes FREIHEIT FÜR CARL LEE-Transparent. Fünfzehn Prediger bezogen dahinter Aufstellung und warteten, bis sich eine lange Marschkolonne bildete. Sie standen mitten auf der Straße vor dem Gerichtsgebäude, und Agee brüllte erneut ins Megaphon. Tausende von Schwarzen setzten sich in Bewegung. Langsam stapften sie über die Jackson Street, wandten sich nach links zur Caffey und erreichten die westliche Seite des Platzes. Bischof Agee stimmte einmal mehr den Schlachtruf an: »Freiheit für Carl Lee! Freiheit für Carl Lee!« Die Menge wiederholte ihn in einem donnernden, immer lauter werdenden Sprechchor. Weitere Gruppen gesellten sich dem Demonstrationszug hinzu.
    Die Ladeninhaber witterten Unheil, schlossen ihre Geschäfte ab und flohen nach Hause. Daheim holten sie ihre Policen hervor, um festzustellen, ob sie gegen Aufruhr und dadurch verursachte Schäden versichert waren. Die grünen Uniformen der Nationalgardisten verloren sich im Meer der Schwarzen. Der schwitzende und nervöse Colonel befahl seinen Truppen, das Gerichtsgebäude zu umstellen und nicht zurückzuweichen. Als Agee und die Demonstranten über die Washington Street marschierten, wandte sich Ozzie an die Kluxer. Mit einigen diplomatischen Worten teilte er ihnen mit, daß die Dinge außer Kontrolle geraten könnten und daß er nicht in der Lage sei, ihre Sicherheit zu garantieren. Er bestätigte ihr Recht, sich friedlich zu versammeln, und riet ihnen, sie sollten sich mit ihrem kurzen Auftritt begnügen und verschwinden, bevor sie in Gefahr gerieten. Die Klanmitglieder verloren keine Zeit und hasteten fort.
    Als das Transparent unterm Fenster der Beratungskammer vorbeigetragen wurde, starrten die Geschworenen nach draußen. Das Geschrei ließ die Scheiben vibrieren. Agees vom Megaphon verstärkte Stimme schien aus einem nur wenige Meter entfernten Lautsprecher zu dröhnen. Die Zwölf blickten fassungslos auf den schwarzen Mob, der von der Washington bis zur Caffey Street reichte. Hunderte von buntbemalten Schildern ragten auf und verlangten Freiheit für den Angeklagten.
    »Ich wußte gar nicht, daß es so viele Nigger in Ford County gibt«, sagte Rita Mae Plunk. Ihren elf Kollegen gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf.
    Buckley war wütend. Er und Musgrove standen in der Bibliothek des Gerichts und sahen ebenfalls aus dem Fenster. Die Sprechchöre hatten ihr leises Gespräch unterbrochen.
    »Ich wußte gar nicht, daß es so viele Nigger in Ford County gibt«, sagte Musgrove.
    »Bestimmt hat sie jemand hierhergebracht. Ich frage mich, wer dahintersteckt.«
    »Wahrsche inlich Brigance.«
    »Ja, das vermute ich auch. Es ist sicher kein Zufall, daß es hier so laut zugeht, während sich die Geschworenen beraten. Ich schätze, da unten haben sich fünftausend Nigger versammelt.«
    »Mindestens.«
    Auch Noose und Mr. Pate blickten durchs Fenster des Richterbüros im ersten Stock. Ichabod war alles andere als glücklich und dachte besorgt an seine Jury. »Wie sollen sich die Geschworenen auf irgend etwas konzentrieren, während
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