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Die Jungens von Brug Schreckenstein

Die Jungens von Brug Schreckenstein

Titel: Die Jungens von Brug Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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brachte keine entscheidende Wendung.
    In dieser Lage tat Strehlau das dümmste, was er überhaupt tun konnte:
    „Doppelsieg reicht nicht, einer von euch muß beim Kugelstoßen über die Traumgrenze!“ sagte er treuherzig zu Dampfwalze und Stephan. Die „Traumgrenze“ war eine Marke, unendlich weit vom Ring entfernt. Wer darüberkam — so hatte man vereinbart —, sollte zusätzlich drei Punkte bekommen. In jeder Disziplin gab es diese Traumgrenze, aber noch in keiner war sie bisher erreicht worden.
    Nicht zuletzt, weil die Traumgrenze hinter seiner eigenen Rekordmarke lag, war Dampfwalze über Strehlaus Bemerkung so böse. Er trat ihn mit dem Knie und brüllte: „Du warst wohl lange nicht mehr im Krankenhaus!“
    Stephan wollte Strehlau verteidigen:
    „Laß ihn doch, mich regt er nicht auf damit!“
    „Denkst du, mich vielleicht?“ fauchte Dampfwalze. „Was gehst du dann so hoch?“ konterte Stephan trocken.
    Dampfwalze schnaubte.
    „Sieh lieber zu, daß du über die Traumgrenze kommst. Aber nicht bloß mit der Schnauze! Alter Angeber!“ Damit war der Krieg erklärt, und von nun an sprachen sie kein Wort mehr miteinander. Dampfwalze hatte zwar das Diskuswerfen gewonnen, aber Stephans Erfolge in allen Disziplinen verwirrten ihn, zumal erst das Kugelstoßen ihr eigentliches Spezialgebiet war.
    Wie Strehlau, wenn auch im falschen Moment, so doch sehr richtig bemerkt hatte, konnte nur noch ein Wunder den Sieg für die Burg retten. Die Traumgrenze! Unsere Läufer hatten versagt, doch das war verständlich. Durch den Bau der Aschenbahn hatten sie einfach nicht genügend Zeit zum Trainieren gehabt. Aber danach fragte jetzt niemand. Die ganze Last ruhte auf Dampfwalze und Stephan. Und die waren böse miteinander! Aber wer weiß, vielleicht spornte sie ihr Zorn erst richtig an?
    Mauersäge kam mit seinem Gast vom See zurück und setzte sich auf seinen Platz. Sein Interesse für die Schule war zwar nie sonderlich groß gewesen, aber jetzt wurde die Sache doch immerhin spannend.
    „Kugelstoßen“ klang Strehlaus Stimme, diesmal ganz kleinlaut. Wie eine Gewitterwolke hing die bevorstehende Entscheidung über allen. Zuerst stießen die schwächeren Vertreter. Dabei ergab sich noch nichts. Dann wankte das Franz-Josephs-Gebirge in den Ring. Es herrschte atemlose Stille, denn hier gab es keine Drehung, und das war gefährlich. Das Gebirge konzentrierte sich lange und stieß dann die Kugel in vollendetem Stil bis auf 20 Zentimeter an die Traumgrenze heran. Seine Mannen feierten den Meisterstoß mit lautem Gejohle. Der Sieg schien ihnen schon sicher.
    „Bange machen gilt nicht!“ sagte Ottokar aufmunternd zu den verfeindeten Rivalen. Er war jedoch kreidebleich, und es klang wenig überzeugend. Der Stoß eines Ebert-Schülers ging in den Eimer. Dann kam Dampfwalze dran. Wenn er auch versuchte, sich als Diskussieger ein gefährliches Aussehen zu geben, so merkte man doch an seinem raschen Atem, wie ihm wirklich zumute war. Die Kugel ging gut von der Hand—leider viel zu flach — und landete einen halben Meter hinter der Marke des Gebirges.
    „Oooooooch!“ seufzten die enttäuschten Zuschauer. Jetzt war Stephan an der Reihe, kam aber auch nicht weiter, sondern blieb sogar noch hinter Dampfwalze zurück.
    „Dacht’ ich mir’s doch!“ bemerkte der anzüglich und versuchte krampfhaft, heiter zu erscheinen. Stephan hörte überhaupt nicht hin, er ging zur Seite, um sich wieder zu konzentrieren. Der nächste Durchgang begann. Während Dampfwalze und Stephan getrennt, mit gesenkten Köpfen, auf dem Rasen auf und ab gingen, hörten sie plötzlich stürmischen Beifall. Das Gebirge hatte sich weiter verbessert. Die Lage war völlig aussichtslos.
    „Bange machen gilt nicht!“ erinnerte sich Stephan an Ottokars Worte und begann halblaut vor sich hin zu singen, um nichts Genaueres zu vernehmen.
    Ich darf nicht mehr zuschauen, wenn Dampfwalze stößt, das war mein Fehler, grübelte er weiter. Diese Dampfwalze! Dieser Muskelprotz mit Spatzenhirn! Er wurde richtig wütend, wenn er nur an ihn dachte. Und genau das durfte er nicht, besonders jetzt nicht, wo der Rivale gerade dran war. Es war fast unmöglich. Vom Ring her erscholl ein langgedehntes, bewunderndes „Meeeeeensch!“, dann brach tosender Beifall los. Dampfwalze mußte das Gebirge überboten haben. Aber Stephan wußte, daß das noch immer nicht zum Sieg reichte. Ein Doppelsieg war erforderlich. Doppelsieg und Traumgrenze! Auf ihn kam es jetzt an, ganz allein auf ihn,
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