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Die Jungens von Brug Schreckenstein

Die Jungens von Brug Schreckenstein

Titel: Die Jungens von Brug Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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den Gordon spielte, ihm nach. Da kam der Bote Werner mit dem Brief.
    „Was gibt’s? Das ist das kaiserliche Siegel!“ Mit diesen Worten entriß ihm Mücke das Schreiben und reichte es Schießbude, der als Lehrer die hohe Ehre hatte, den Oktavio spielen zu dürfen.
    „Dem Fürsten Piccolomini!“ sagte Mücke bei der Übergabe, während Schießbude schmerzvoll zum Himmel emporblickte. Vom Wehrgang aus gab Regisseur Gießkanne Stephan ein Zeichen, die Kapelle spielte zum sechsten Mal das Motiv aus dem „Protestmarsch der Fußkranken des Dreißigjährigen Krieges“, Rolle sägte an seiner Baßgeige, die Gräfin Terzky schlug in die Tasten, und Ottokar zog die Widerstände der Bühnenbeleuchtung ein — die Aufführung war beendet.
    Eltern, Freunde und Gönner der Anstalt klatschten begeistert Beifall, vor allem der Bürgermeister von Neustadt, Sonja und Mauersäge in der ersten Reihe.
    Dann hob der Graf die Hand, zum Zeichen, daß er etwas sagen wolle:
    „Meine Damen und Herren, liebe Jungens“, begann er, offenbar im Leerlauf, da kein Schalten zu hören war, „nach dieser schönen Aufführung möchte ich Sie alle zu einem kleinen Imbiß bitten! Ich erwarte Sie in einer Viertelstunde im Ahnensaal!“
    Es war schon sehr feierlich. Der Ahnensaal mit den Rüstungen, Wappen und Fahnen und nicht zuletzt mit dem kalten Büfett — der reinste Staatsempfang.
    Und was es alles gab! Mauersäge hatte weder Kosten noch Mühe gescheut. Belegte Brötchen, Salate, Kaffee und alkoholische Getränke für die Erwachsenen und für uns Limonade mit zweierlei Geschmack und Berge von Apfelkuchen mit Sahne.
    Jean servierte mit einem großen silbernen Tablett und machte zum erstenmal ein freundliches Gesicht. Der Betrieb tat ihm richtig wohl.
    Unsere Eltern unterhielten sich mit unseren Lehrern, während wir die Büfett-Ecke bevorzugten, wo Heini pausenlos um unser körperliches Wohl bemüht war.
    „Eßt, Jungens, eßt, die Gelegenheit kommt so schnell nicht mehr!“ sagte er immer wieder, und bald war die tollste Spachtelei im Gange.
    Dann kamen die Schauspieler, die sich inzwischen umgezogen hatten, und wurden mit großem Beifall empfangen. Auch Doktor Waldmann und seine Tochter waren dabei.
    „Du warst großartig!“ gratulierte der Rex gerade der Gräfin Terzky. Strehlau wollte etwas erwidern, doch da klingelte Mauersäge mit einer kleinen Tischglocke.
    „Liebe Eltern, liebe Lehrer, liebe Jungens“, begann er, „ich hatte einmal vor, aus dem Schreckenstein ein Sanatorium zu machen. Das ist vorbei, und so möchte ich Ihnen heute zur Feier des Tages eine Freude machen, indem ich Ihnen sage: die Schule auf Burg Schreckenstein... ks... bleibt bestehen!“
    Die Eltern klatschten zuerst, aber wir dafür um so lauter und länger. Mauersäge winkte ab und fuhr fort:
    „Diesen meinen Entschluß verdanken wir dem vorbildlich ritterlichen Verhalten von zwei Jungen, einem Lehrer und seiner Tochter, die mich mit ihrem Mut und ihrem Einsatz vor einem schlimmen Reinfall bewahrt haben.“
    Und unter unbeschreiblichem Jubel ging er zu Stephan, Ottokar, Sonja und Doktor Waldmann und gab ihnen die Hand. Ein beängstigendes Gedränge entstand. Die Eltern stürzten sich auf Mauersäge, um ihm zu danken. Der Rex hielt eine Rede auf den Geist der Ritter, der Bürgermeister eine auf den Rex, dann schüttelten sie sich alle wieder die Hände und dankten einander, genau wie damals beim Sportfest. Die wahren Helden des Tages aber standen zu diesem Zeitpunkt bei Heini am Büfett und spachtelten, was ’reinging.
    Stephan zog sich unbemerkt in eine Ecke zurück und fütterte den Jagdhund Harro mit Schinkenbrötchen.
    „Denn“, sagte er, „wenn du mich verbellt hättest, säßen wir heute wieder in Neustadt.“ Dann schaute er sich um. Ja, da standen sie nun alle vergnügt beieinander, die Eltern, die Lehrer, die Kameraden; sie unterhielten sich, lachten und futterten. Vergessen waren alle Schwierigkeiten, er hatte durchgehalten, und dieses Gefühl stimmte ihn glücklich. Ein kräftiger Schlag auf die Schulter riß ihn aus seinen Träumereien. Dampfwalze stand neben ihm und sagte, mit einer Leichtigkeit, an der man merkte, daß er gewohnt war, mit vollem Mund zu sprechen:
    „Du warst zwar am Anfang eine Mordspfeife, aber dann habe ich dich unterschätzt.“
    „Übernimm dich nicht“, antwortete Stephan und schlug in die dargebotene Hand ein, „du an meiner Stelle hättest es nicht anders gemacht!“
    „Mensch“, sagte Dampfwalze lachend und
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