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Die Jungens von Brug Schreckenstein

Die Jungens von Brug Schreckenstein

Titel: Die Jungens von Brug Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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hatte.
    Alles lebte nur noch für den Sieg. Die Athleten wurden im Unterricht merklich geschont. Sie hatten einfach keine Zeit mehr zum Denken.
    „Sonst holt sich einer einen geistigen Muskelriß und ich bin schuld“, sagte Gießkanne unter allgemeinem Gelächter.
    Die Mannschaft trainierte sozusagen Tag und Nacht. Wer nicht direkt dazugehörte, hatte eine unterstützende Tätigkeit, sei es als Speerholer oder Diskusreiniger. Somit kamen auf einen Wettkämpfer ungefähr zehn Betreuer, wie bei den großen Leichtathletikkämpfen auch.
    Dampfwalze trainierte sogar im Bett. Er hatte sich die 25-Kilo-Hantel aus dem Sportschuppen in sein Zimmer geholt und stemmte von früh bis spät, bei jeder Gelegenheit, um fit zu bleiben. Für ihn stand mehr auf dem Spiel als der Sieg, denn Stephans Rache war ihm gewiß. Gewann der, so wurde er nicht nur in die Gemeinschaft der Ritter aufgenommen, nein, in diesem Fall war es auch mit Dampfwalzes Vormachtstellung als stärkster Junge vorbei. Ihm blieb gar keine Wahl, er mußte gewinnen.
    Endlich war der große Tag da und, wie es sich gehört, ein Sonntag. Unsere versteckte Burg glich eher dem Neustädter Marktplatz, so viele Wagen standen drinnen im Hof und außen drum herum. Die Mannschaften der Ebert- und Franz-Joseph-Schule waren schon um acht Uhr mit dem Omnibus gekommen. Sie hatten sofort den Sportplatz besichtigt, die Aschenbahn als sehr schnell erkannt und sich dann zurückgezogen, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Wir hatten ihnen dafür zwei getrennte Räume zur Verfügung gestellt, weil es unfair ist, Mannschaften vor einem Wettkampf zusammen unterzubringen. Keiner könnte über seine Taktik reden, ohne daß der Gegner es hört. Und Taktik ist oft entscheidend.
    Wir hatten natürlich auch eine. Sie bestand zunächst darin, daß unsere Kämpfer unsichtbar blieben. Rolle hatte das so angeordnet.
    „Der Gegner“, hatte er gesagt, „muß bis zum Start im unklaren gelassen werden. Das macht ihn nervös!“
    Überhaupt war alles glänzend organisiert. Mücke arbeitete als Parkwächter und wies die Autos ein. Klaus und Dieter waren für die Gäste verantwortlich. Sie hatten alle verfügbaren Sitzgelegenheiten zum Sportplatz hinuntergeschafft und verteilten Platzkarten an die zahlreich erschienenen Eltern, Freunde und Gönner der Anstalt, wie es so schön heißt.
    Sehr komisch war die Ankunft von Strehlaus Mutter. Sie fuhr in einem Kabinenroller mit drei Rädern auf den Hof, klappte das Oberteil hoch und streckte mit dem Ausruf: „Mein Junge, mein guter Junge!“ die Arme nach ihrem Sprößling aus. Der Alleswisser, der unsere Blicke wie Nadelstiche in seinem Nacken fühlen mußte, zeigte jedoch auf die umgehängten Stoppuhren, um die Zärtlichkeiten seiner Mutter begründet zu verhindern. Darauf bekam er nur einen Kuß, was für sein Alter auch genug war.
    Gegen zehn Uhr war dann glücklich alles auf dem Sportplatz versammelt. Auch der Herr Bürgermeister, der sich über die schöne Schule und den selbstgebauten Sportplatz gar nicht beruhigen konnte. Ähnlich ging es unseren Vätern, die uns eindringlich versicherten, daß wir gar nicht wüßten, wie schön wir es hier hätten. Sie taten gerade so, als ob der Schreckenstein ihre Erfindung sei und wir ihnen furchtbar dankbar dafür sein müßten. Und unsere Mütter bekamen feuchte Augen, wie an Weihnachten oder am Muttertag, was allen sehr peinlich war. Also entschuldigten wir uns mit „wichtigen Vorbereitungen“ und dampften schnellstens wieder ab. Sollten sie sich mit unseren Lehrern unterhalten! Und das taten sie auch, sogar reichlich.
    „Schau, meine Alten mit dem Waldmann!“ sagte Mücke, „in Neustadt war’ mir das noch wahnsinnig unangenehm gewesen, aber hier ..und er zuckte die Achseln, zum Zeichen, daß es ihm egal sei. Unsere Lehrer hatten viel dazugelernt, darüber bestand kein Zweifel. Man konnte sie jetzt völlig unbeaufsichtigt mit den Eltern reden lassen.
    Inzwischen waren die gegnerischen Mannschaften auf den Platz gelaufen, da kam Mauersäge mit seinem winzigen Hofstaat. Heini, unser Koch, der natürlich auch dabei war, drehte sich um und sagte:
    „Ich werd’ verrückt. Das ist doch Ulli Klinke!“
    Dabei deutete er auf einen unsympathischen Fettkloß, der in einem weißen Anzug, mit dicker Zigarre, neben Mauersäge daherstolzierte.
    „Und so was kennst du!“ sagte Fritz vorwurfsvoll. „Leider“, entgegnete Heini, „ist mein früherer Chef aus der ,Grünen Eule’. Ich war dort Koch, bevor ich zu
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