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Die Jungens von Brug Schreckenstein

Die Jungens von Brug Schreckenstein

Titel: Die Jungens von Brug Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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und beschloß, aus dem rauchenden Angeber einen sportlichen Ritter zu machen.
     
     
     

Spannlack ist eine feine Sache
     
    Nach anfänglicher Schüchternheit wurde der Neue bald recht keß. Zuerst im kleinen Kreis, wenn er die Wirkung seines Tonbandgerätes auskostete, dann vor allen, wenn er sich mit wohlüberlegten Ausreden vor der Arbeit auf dem Sportplatz oder im Schrebergarten zu drücken versuchte. Doch immer, wenn er etwas gemacht hatte, das alle ablehnten, tat er sich im nächsten Moment mit etwas anderem hervor, das uns imponierte. Beispielsweise erschien er eines Tages mit verbundener Hand im Schrebergarten, um sich bei Gießkanne „arbeitsunfähig“ zu melden. Zum Zeichen, daß wir ihm nicht glaubten, maulten wir unwillig vor uns hin: „Na, na, na, na, na!“
    Jeder andere hätte sich darauf schnellstens verzogen, doch was tat Stephan? Er fing an zu singen! Er sang den gerade beliebtesten Schlager, und zwar in Englisch, was sonst keiner konnte. Aber die schlechten Eigenschaften nahmen doch überhand. Ottokar hatte ihn schon einige Male erwischt, als er abends aus dem Lehrerzimmer kam und sehr nach Rauch roch. Nun roch es im Lehrerzimmer immer nach Rauch, und so mußte er ihm wohl oder übel glauben, daß er „nur ein Buch“ gesucht habe. Interesse für Literatur war bei Stephan zweifellos vorhanden. Von der Seite war ihm also nicht beizukommen. Auch im Sport war er gut. Mochten die angegebenen Weiten auch nicht ganz stimmen, so kam erbeimKugel-stoßen doch regelmäßig in die Nähe von Dampfwalzes Rekordmarke. Dampfwalze war der beste Kugelstoßer und in diesem Punkt besonders empfindlich. Stephan merkte das und begann ihn absichtlich zu reizen:
    „Ich bin heute nicht in Form“, oder:
    „Leider habe ich mir die Schulter verrenkt!“
    Dampfwalze quittierte diese Äußerungen mit böser Miene. Daß es zwischen den beiden über kurz oder lang einen Zusammenstoß geben mußte, war sonnenklar und nur noch eine Frage der Gelegenheit.
    Die Gelegenheit kam beim Rechnen. Der Rex hatte in der letzten Zeit den Versuch gemacht, Arbeiten ohne Aufsicht schreiben zu lassen, wenn wir ihm versprachen, nicht abzugucken. Da Abschreiben gegen die Ritterehre verstieß, klappte die Sache auf Anhieb.
    Schießbude hatte also die Aufgabe an die Tafel geschrieben und war dann voller Vertrauen hinuntergegangen, um mit einem Kollegen im sonnigen Burghof Schach zu spielen, während uns oben die Köpfe rauchten. Dieses Vertrauen mißbrauchte Stephan ganz offensichtlich. Mitten in der Stunde stand er auf, ging zu Strehlau und fragte ungeniert:
    „Sag mal, mit was muß ich denn den Bruch da multiplizieren?“
    Strehlau, der durch jede direkte Frage eingeschüchtert wurde, wollte gerade antworten, als Dampfwalze zu ihm trat und ihn so in die Seite stieß, daß er einfach nicht dazu kam.
    „Hier wird nicht abgeschrieben! Du meldest dich sofort beim Rex!“ donnerte der Kugelstoßrivale.
    „Ich denke gar nicht daran!“ erwiderte der Neue.
    „Dann gehe ich!“ sagte Dampfwalze und setzte sich bereits in Bewegung, als Stephan ihn am Ärmel zurückhielt. Einen Augenblick lang blickten sie sich hart in die Augen, bis Stephan losließ.
    „Eine schöne Einstellung habt ihr hier. Kameraden verpetzen!“ sagte er einlenkend.
    Dampfwalze, der durch seine Kraft im Denken immer etwas behindert war, fand nicht gleich eine Antwort.
    Da sprang Mücke in die Bresche:
    „Du bist ja noch gar kein Kamerad!“
    Und Ottokar fügte beschwichtigend hinzu:
    „Setz dich, wir reden später darüber!“
    Er hatte den größten Einfluß auf Stephan, und so ging Stephan auf seinen Platz zurück. Aber aus der Unterredung wurde nichts, denn man hatte sich inzwischen geeinigt, mit dem Neuen kein Wort mehr zu sprechen. Und da konnte Ottokar natürlich keine Ausnahme machen. Nachdem die Ächtung zwei Tage lang eisern durchgeführt worden war, trafen sich die Ritter nachts in der Folterkammer, um über eine endgültige Bestrafung zu beraten. Jeder hatte etwas vorzubringen, das ihm besonders mißfiel.
    „Für mich raucht der immer noch!“ sagte Mücke.
    „Daß er Akkordeon spielt, ist auch nicht wahr!“ meinte Fritz.
    „Und nachts trägt er eine Frisierhaube!“ fügte Walter, der Jüngste aus Ottokars Zimmer, hinzu.
    Ottokar selbst wußte nicht gleich, was er sagen sollte. Einerseits gefiel ihm Stephan; er war nicht dumm, und man konnte ganz vernünftig mit ihm reden, aber andererseits hatte er gegen die Sitten der Schule verstoßen und mußte
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