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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen
Autoren: Sándor Márai
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alle drei Delinquenten Herren.«
    »Wer waren sie?« will der Junge wissen.
    Sie stehen sich Aug in Auge gegenüber.
    Der Schuster beugt sich ganz nah zu ihm hin. »Tschechische Offiziere. Vom Standpunkt des Vaterlandes aus gesehen Verräter. Seitens des Herrn Oberst war es eine besondere Gunst, daß er mir Herren anvertraut hat und nicht gewöhnliches Volk; dafür werde ich ihm ewig dankbar sein. Wie gesagt, meine Familie ist der Familie des Herrn Prockauer zu besonderem Dank verpflichtet. Wie ich höre, hat sich der Zustand der gnädigen Frau verschlechtert.«
    »Wann haben Sie das gehört?« fragt Ábel hastig.
    Er bereut die Frage sogleich. Die Augen des Schusters kreisen im Raum und bohren sich plötzlich mit scharfem, flammendem Blick in seine Augen. Als ob er in gleißendes Licht schauen würde; Ábel schließt die Augen. Der Zustand von Tibors Mutter ist seit Tagen besorgniserregend. Diese Besorgnis aber löst sonderbare Gefühle aus. Sie sprechen nicht darüber. Die Gattin von Oberst Prockauer ist seit drei Jahren bettlägerig, ihr Zustand wechselt, doch sie verläßt das Bett nicht. Ihr älterer Sohn, der vor einigen Monaten von der Front zurückgekommen ist, als Fähnrich und mit nur einem Arm, beteuert verbissen, die Frau Oberst könne sehr wohl laufen, wolle aber nicht. Er erzählt, daß sie nachts, wenn die Jungen schlafen, das Krankenbett verlasse und in der Wohnung herumgehe. Falls im Zustand von Tibors Mutter irgendeine Wende eingetreten ist, muß schnellstens gehandelt werden, denn der Oberst könnte dann jeden Augenblick auftauchen.
    Ábel wagt nicht, den Schuster anzusehen, der ganz nah vor ihm steht und in der Dunkelheit aussieht, als sei er größer geworden. Ábel weiß, daß sie gleich groß sind, und hat jetzt dennoch das Gefühl, er müsse zu seinem Gegenüber aufschauen. Die Augen des Schusters erlöschen langsam. Beide senken den Blick.
    »Das geht mich nichts an«, sagt der Schuster. »Ich bitte den jungen Herrn untertänigst, vor Tibor die Angelegenheit nicht zu erwähnen. Der ältere Sohn des Herrn Oberst Prockauer war hier, weil auch er meinen Sohn Ernő gesucht hat. Im Gespräch kam die Rede darauf.«
    »Worauf?«
    Die Flamme der Karbidlampe flackert.
    Der Schuster humpelt zum Licht und dreht die Flamme vorsichtig herunter. »Auf was man im Lauf eines Gesprächs eben so kommt. Der junge Herr Lajos, wenn ich ihn als alten Frontkämpfer und Kameraden so nennen darf, hat für das Vaterland ein großes Opfer gebracht. Er sucht mich von Zeit zu Zeit auf. Und dann sprechen wir über vieles. Der junge Herr Lajos hat in dem Zusammenhang auch angedeutet, daß der junge Herr Tibor Sorgen habe. Ich darf nicht verschweigen, daß der junge Herr Lajos beim großen Blutopfer über den Verlust seines Arms hinaus auch ein geistiges Opfer gebracht hat. Er erinnert sich an vieles, was er sagt, später nicht mehr. Und wenn er etwas sagt, will er schon bald darauf nichts mehr davon wissen. Er erwähnte, daß eine Verschlechterung des Zustands der gnädigen Frau nicht ganz ausgeschlossen sei. Man müsse auf alles gefaßt sein, sagte er. Daher ist es mir bekannt.«
    Ábel weiß nichts Genaues darüber. Vielleicht hat der Einarmige auch nur phantasiert. Der ältere der Prockauer-Brüder führt sich, seit er von der Front zurück ist, gelegentlich etwas sonderbar auf. Was er früher mied und geringschätzte, die Gesellschaft und die Amüsements seines jüngeren Bruders, sucht er nun geradezu mit Beharrlichkeit. Nach und nach haben sie ihn in alles eingeweiht. Er war es, der die Bekanntschaft des Schauspielers gemacht hat. Ábel überlegt: Sie kannten den Schauspieler seit längerem vom Sehen, aber der Einarmige war der erste in der Clique, der persönlich mit ihm Verbindung aufnahm und ihn dann den anderen vorstellte. Sicherlich hatte Lajos mal wieder den Mund nicht halten können.
    Er muß mit dem Schuster über Tibors Sorgen gesprochen haben, und das bedeutet, daß ihr gemeinsames Geheimnis verraten worden ist. Es wäre gut zu erfahren, wie weit er den Alten eingeweiht hat. Zakarka ist ein geschwätziger Mensch, wenn auch auf seine sonderbare Weise, und nicht jedem gegenüber in gleichem Maße. Von Ernő weiß Ábel, daß der Schuster kein Wirtshaushocker ist und daß er seine weltanschaulichen Tiraden über die neue Ordnung zwischen Arm und Reich, den Zusammenbruch und die Erneuerung der Welt nur vor Auserwählten hält.
    Daß beim Schuster ein Schräubchen locker ist, hat er schon immer vermutet; doch
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