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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen
Autoren: Sándor Márai
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für unsere merkwürdigen Spiele mit dem Leben.«
    Unverkennbar Selbsterlebtes auch hier.
    Der Ort der Handlung im Roman Die jungen Rebellen, die Stadt am Fluß, ist Kaschau in Oberungarn, Márais Geburts- und Heimatstadt, die er geliebt, gehaßt, verloren hat und über deren Verlust er ein Leben lang nicht hinweggekommen ist. Bei einem Blitzbesuch von drei Tagen im Jahr 1941 sah er sie mit dem Abstand von mehr als zwanzig Jahren noch einmal wieder, nahm Abschied vom Elternhaus, vom Dom, von den Gassen, Höfen und Plätzen seiner Kindheit und, wie konnte es anders sein, vom »Arabesque« des Romans:
    » [ …] Das war das Haus, >Tatort< der legendären Rebellion. Ich sehe die Gesichter vor mir, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Gesichter von Jungen mit begeistert strahlenden Augen, mit schwärmerischer Stirn. Was waren wir für überzeugte Gläubige und was für Heiden zugleich! Im Schatten der Katastrophe spielten wir, in Kostüme verkleidet, deren wirklichen Sinn ich erst viel später begriffen habe. In diesem Haus errichteten wir uns innerhalb der Gesellschaft eine eigene Welt, die über die andere, die gestrauchelte Gesellschaft der Erwachsenen, zu Gericht gesessen ist. Zur Clique zusammengerottet, suchten wir einen Unterschlupf vor den Menschen. Unentwegt umwitterte eine Ahnung von Gefahr diese merkwürdigen Spiele, wie das Wissen vom Tod die Arbeit und Liebe von Menschen, die sterben müssen.
    Wir spielten auf eine merkwürdige Weise Räuber und Gendarm: Wir waren die Gendarmen und die Erwachsenen in ihrer Welt der Verbrecher. Die Spielkameraden habe ich aus den Augen verloren. Zwei von ihnen fielen an der italienischen Front: Sie hatten die Kostüme gewechselt, das Spiel ging zu Ende, das Spielzeug zerbrach … Die anderen hat der Sturm weggefegt. Und wir dachten aneinander, als trügen wir die Eidesformel eines ewigen und unauflöslichen Schwurs im Herzen, gehorchten den Befehlen einer barbarischen und herrlichen Blutsbrüderschaft.«(Aus Kassai őrjárat –Patrouille nach Kaschau, 1941).
    Zeit der Handlung ist der Erste Weltkrieg in seiner letzten, chaotischsten Phase, der Tradition, Werte und Weltbilder zerschlagen, Familien zerstört und die Welt der Erwachsenen auf den Kopf gestellt hat. Die Atmosphäre des Romans ist dieser Zeit entsprechend siech und morbid, die um die Clique angesiedelten Erwachsenen präsentieren sich als ein Panoptikum von Infantilen, Kranken, körperlich und geistig Versehrten, Kriegsinvaliden sowie gewalttätigen, psychisch geschädigten Vätern und Lehrern.
    Auch die Mitglieder der Jugendbande, vier und einer, erweisen sich als in ihrer Entwicklung gestörte Jünglinge, jeder mit seinem eigenen frühkindlichen Trauma. Es sind die gleichen Nöte, die diese vier Zöglinge einer Gymnasialklasse aus völlig unterschiedlichem gesellschaftlichen Milieu zusammengeführt und sie im Laufe der Zeit aneinandergefesselt haben. Noch an der Schwelle des Erwachsenseins schleppen sie verschiedene Symptome einer versäumten Kindheit mit sich herum: Die Spielleidenschaft, die ungezügelte Phantasie und den Hang zum Verkleiden von Fünf- und Sechsjährigen, den Sammel- und Klautrieb Sieben- bis Achtjähriger, die bandenbildenden sozialen Instinkte von Zehnjährigen oder die verworrenen homoerotischen Gefühle der Pubertät – all das findet sich verspätet in diesen Kinderseelen wieder. Sie verweigern sich, sperren sich gegen das »Hinaustreten ins Leben«, in die rauhe, oft erbarmungslose Gesellschaft der Erwachsenen, sehnen sich zurück in eine behütete, harmonische Kinderzimmerwelt, die doch für keinen von ihnen je existiert hat. Sie beginnen, eine Mauer um sich aufzurichten, wollen weder sehen noch gesehen werden; spielen, agieren und leben in ihrer selbstgebastelten Welt, verhöhnen und verachten die Ideale und Werte der Väter, empfinden es nicht als Unrecht, sie als ihre »Feinde« zu betrachten, zu belügen, zu betrügen und zu bestehlen. Ihre Scheinwelt, in der sie so lange ausgeharrt haben, stürzt in sich zusammen, als die Gesellschaft der Erwachsenen in Gestalt des heimkehrenden Vaters, des homosexuellen Schauspielers und des Pfandhausbesitzers brutal einbricht. Ihr Weg nach dem Maturabankett führte sie nicht mehr –wie noch die Vätergeneration aus diesem Anlaß – gemeinsam ins Freudenhaus, sondern vor die Musterungskommission und die meisten von ihnen ins Feld, manche in den Tod.
    Die lineare Handlung, die sich über kaum sechsunddreißig Stunden erstreckt, ist
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