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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo
Autoren: Lion Feuchtwanger
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denn Kreuzfahrer von überallher auch zu den kriegerischen Nachfahren der früheren christlichen Herren Spaniens. Beinahe vier Jahrhunderte hatten diese letzten Westgoten warten müssen, nun drangen sie nach Süden vor. Die verweichlichten, verfeinerten Moslems konnten ihrer Wildheit nicht standhalten; in wenigen Jahrzehnten eroberten die Christen die ganze nördliche Hälfte der Halbinsel zurück bis hinunter zum Tajo.
    Die Moslems, von den christlichen Armeen immer härter bedrängt, riefen ihre Vettern aus Afrika zu Hilfe, wilde, glaubenseifrige Krieger, viele aus der großen südlichen Wüste, der Sahara. Diese hielten den Vormarsch der Christen auf. Aber sie verjagten auch die kultivierten, freigeistigen moslemischen Fürsten, die bisher im Andalús geherrscht hatten, sie duldeten keine Laxheit mehr im Glauben; der afrikanische Kalif Jussuf ergriff die Herrschaft auch im Andalús. Um das Land von allem Unglauben zu säubern, berief er die Vertreter der Judenheit in sein Hauptquartier nach Lucena und sprach zu ihnen: »Im Namen des Allbarmherzigen Gottes. Der Prophet hat euern Vätern Duldung in den Ländern der Gläubigen gewährt, aber unter einer Bedingung, die aufgezeichnet ist in den alten Büchern. Wenn euer Messias nicht binnen eineshalben Jahrtausends erscheint, dann werdet ihr – so haben eure Väter es zugesagt – ihn, Mohammed, als den Propheten der Propheten anerkennen, der eure Gottesmänner überschattet. Die fünfhundert Jahre sind um. Erfüllt also den Vertrag, bekennt euch zu dem Propheten, werdet Moslems! Oder verlaßt mein Andalús!«
    Sehr viele Juden, obwohl sie nichts von ihrer Habe mitnehmen durften, wanderten aus. Die meisten ins nördliche Spanien; denn die Christen, die dort nun wieder herrschten, benötigten, um das kriegszerstörte Land neu aufzubauen, den überlegenen Wirtschaftsverstand, den Gewerbefleiß und die vielerlei andern Kenntnisse der Juden. Sie gewährten ihnen die bürgerliche Gleichheit, die ihre Väter ihnen versagt hatten, und darüber hinaus viele Privilegien.
    Manche Juden aber blieben im moslemischen Spanien und bekannten sich zum Islam. Sie wollten auf diese Art ihr Vermögen retten und später, unter günstigeren Umständen, in die Fremde gehen und sich wieder zum alten Glauben bekennen. Allein die Heimat war süß, das Leben in dem holden Lande Andalús war süß, sie zögerten die Ausreise hinaus. Und als nach dem Tode des Kalifen Jussuf ein weniger strenger Fürst zur Herrschaft kam, zögerten sie weiter. Und schließlich dachten sie nicht mehr an Auswanderung. Zwar blieb allen Ungläubigen der Aufenthalt im Andalús verboten; aber es genügte als Glaubensbeweis, sich zuweilen in der Moschee zu zeigen und fünfmal täglich das Bekenntnis zu sprechen: Allah ist Gott und Mohammed sein Prophet. Heimlich konnten die früheren Juden ihre Bräuche weiter üben, und es gab in dem judenfreien Andalús versteckte jüdische Bethäuser.
    Sie wußten indes, diese heimlichen Juden, daß ihre Heimlichkeit vielen bekannt war und daß ihre Ketzerei, brach ein neuer Krieg aus, ans Licht kommen mußte. Sie wußten, wenn ein neuer Heiliger Krieg ausbrach, waren sie verloren. Und wenn sie, wie ihr Gesetz es ihnen vorschrieb, alltäglich um die Erhaltung des Friedens beteten, taten sie es nicht nur mit den Lippen.
    Als Ibrahim sich auf den Stufen der verfallenen Fontäne des innersten Hofes niederließ, spürte er seine Müdigkeit. Er war nun eine volle Stunde lang in diesem baufälligen Hause herumgegangen.
    Und er hatte doch wahrhaftig keine Zeit zu verlieren. Volle zehn Tage war er jetzt in Toledo, die Räte des Königs drängten mit Recht auf Bescheid, ob er nun die Generalpacht der Steuern übernahm oder nicht.
    Der Kaufmann Ibrahim aus dem moslemischen Königreich Sevilla hatte mehrmals mit christlichen Fürsten Spaniens Geschäfte getätigt, aber ein so ungeheures Unternehmen hatte er noch niemals angepackt. Es stand seit Jahren schlecht um die Finanzen des Königreichs Kastilien, und seitdem gar König Alfonso – das war nun fünfzehn Monate her – seinen leichtsinnigen Feldzug gegen Sevilla verloren hatte, war seine Wirtschaft vollends verfahren. Don Alfonso brauchte Geld, viel Geld, und sofort.
    Der Kaufmann Ibrahim von Sevilla war reich. Er besaß Schiffe, Güter und Kredit in vielen Städten des Islams und in den Handelszentren Italiens und Flanderns. Aber wenn er sich auf dieses kastilische Geschäft einließ, mußte er sein ganzes Vermögen investieren, und auch
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