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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo
Autoren: Lion Feuchtwanger
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angesetzt. Aber acht Jahre Waffenstillstand! Der junge, ungestüme König, Soldat durch und durch, sah nicht, wie er die Geduld aufbringen sollte, die Ungläubigen sich acht endlos lange Jahre ihres Sieges brüsten zu lassen. Und mit dem Manne, der ihm den schimpflichen Vertrag aufgenötigt hatte, sollte er jetzt ein zweites, folgenschweres Abkommen treffen! Sollte fortan den Menschen immer um sich haben und auf seine verdächtigen Vorschläge hören! Andernteils hatten ihm die Gründe eingeleuchtet, die seine kluge Königin und sein erprobter Freund Manrique ihm anführten: seitdem Ibn Schoschan gestorben war, sein guter, reicher Hebräer, war es immer schwerer geworden, von den großen Händlern und Bänkern der Welt Geld zu kriegen, und es blieb niemand als dieser Ibrahim von Sevilla, ihm aus seinen Finanznöten zu helfen.
    Nachdenklich, während er lässig auf Manrique hörte, betrachtete er Doña Leonor.
    Man sah sie nicht häufig in der Königsburg von Toledo. Sie war im Herzogtum Aquitanien geboren, im milden südlichen Frankreich, wo die Sitten höfisch und zierlich waren, und das Leben in Toledo schien ihr, obgleich die Stadt nun schon hundert Jahre in den Händen der Könige Kastiliens war, noch immer ungeschlacht wie in einem Feldlager. Wenn sie’s auch begriff, daß Don Alfonso die meiste Zeit in dieser seiner Hauptstadt verbrachte, nahe dem ewigen Feind, so zog sie selber es doch vor, im nördlichen Kastilien Hof zu halten, in Burgos, nahe der Heimat.
    Alfonso, ohne daß er mit jemand darüber gesprochen hätte, wußte genau, warum Doña Leonor dieses Mal nach Toledo gekommen war. Sicher war es geschehen auf die Bitte Don Manriques. Dieser sein Minister und lieber Freund hatte wohl angenommen, er könne ohne ihre Hilfe ihn nicht dazu bewegen, den Ungläubigen zu seinem Kanzler zu machen. Dabei hatte er die Notwendigkeit sehr schnell begriffen und hätte es auch ohne Zureden Doña Leonors getan. Aber er war froh, daß er sich so lange gesträubt hatte; es war ihm lieb, Doña Leonor um sich zu haben.
    Wie sorgfältig sie sich angezogen hatte. Und es ging doch nur um einen Vortrag des guten Manrique. Immer legte sie’s darauf an, reizvoll und gleichwohl fürstlich auszuschauen. Es lächerte ihn ein wenig, doch sah er’s mit Wohlgefallen. Sie war noch ein halbes Kind gewesen, als sie vor fünfzehn Jahren die Hofhaltung ihres Vaters, des engelländischen Heinrich, verließ, um ihm als Braut zugeführt zu werden; aber sie hatte alle die Jahre hindurch in seinem armen, strengen Kastilien, wo man infolge des ewigen Krieges wenig Zeit hatte für die Verästelungen der Courtoisie, den Sinn der Heimat fürs Höfisch-Zierliche gewahrt.
    Immer noch kindlich trotz ihrer neunundzwanzig Jahre saß sie da in dem schweren, prächtigen Kleid. Wiewohl nicht groß, sah sie stattlich her mit dem Reif, welcher das dichte, blonde Haar hielt. Unter der hohen, edelgebauten Stirn schauten die großen, gescheiten, grünen Augen ein wenig zu kalt und prüfend vielleicht, doch machte ein leises, unbestimmtes Lächeln das ruhige Gesicht warm und freundlich.
    Sie hatte leicht lächeln über ihn, seine liebe Doña Leonor. Gott hatte ihm Verstand gegeben, und er begriff so gut wie sie und ihr Vater, der engelländische König, daß heute die Wirtschaft seines Reiches nicht weniger wichtig war als das Heereswesen. Aber die schlauen Schleichwege, obwohl sie sicherer zum Ziele führen mochten als das Schwert, waren ihm nun einmal zu langsam und zu langweilig. Er war Soldat und nicht Rechner, Soldat und immer wieder Soldat. Und das wargut in einer Zeit, da Gott den Fürsten der Christenheit unermüdlichen Kampf gegen die Ungläubigen auferlegt hatte.
    Auch Doña Leonor ließ ihre Gedanken wandern. Sie sah dem Gesicht ihres Alfonso das Widersprüchliche an, das in ihm vorging; wie er begriff und sich fügte, und wie er knirschte und aufbegehrte. Ein Staatsmann war er nicht; niemand wußte das besser als sie, die Tochter eines Königs und einer Königin, deren kühne, listige Politik die Welt nun seit Jahrzehnten in Atem hielt. Er war grundgescheit, wenn er nur wollte, doch sein wildes Gemüt rannte immer wieder die Mauer seiner Vernunft ein. Und gerade um dieser heftigen, lustigen Energie willen liebte sie ihn.
    »Du siehst, Herr König, und du, Doña Leonor«, faßte nun Don Manrique zusammen, »er hat auf keine seiner Bedingungen verzichtet. Aber er gibt auch mehr, als irgendein anderer es könnte.«
    Don Alfonso sagte böse: »Und das
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