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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo
Autoren: Lion Feuchtwanger
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der Klügste konnte nicht voraussehen, ob Kastilien den Wirrwarr überstehen werde, den die nächsten Jahre bringen mußten.
    Andernteils war König Alfonso zu riesigen Gegenleistungen bereit. Man bot Ibrahim zum Pfand die Steuern und Zölle, auch die Einnahmen der Bergwerke, und er war überzeugt, er wird, wenn er nur das Geld schaffte, noch viel günstigere Bedingungen erzielen, man wird ihm die Kontrolle aller Einkünfte übertragen. Nun waren freilich, seitdem die Christen das Land den Moslems abgenommen hatten, Handel und Gewerbe heruntergekommen; aber Kastilien, das größte der spanischen Länder, war fruchtbar, es besaß Bodenschätze in Fülle, und Ibrahim traute sich die Kraft zu, das Land wieder hochzubringen.
    Allein ein solches Unternehmen konnte man nicht aus derFerne leiten: er müßte die Ausführung an Ort und Stelle überwachen, er müßte sein moslemisches Sevilla verlassen und hieher ins christliche Toledo übersiedeln.
    Fünfundfünfzig Jahre war er jetzt alt. Er hatte erreicht, was immer er sich wünschte. Ein Mann in seinem Alter und mit seinen Erfolgen durfte ein so verfängliches Unternehmen nicht einmal in Erwägung ziehen.
    Ibrahim saß auf den verfallenen Stufen der lang versiegten Fontäne, den Kopf in die Hand gestützt, und mit einemmal wurde er inne: auch wenn ihm das Abenteuerliche des Geschäftes von vornherein klar gewesen wäre, er wäre trotzdem nach Toledo gegangen, hierher in dieses Haus.
    Es war dieses lächerliche, baufällige Haus, das ihn hierherzog.
    Eine alte, seltsame Bindung bestand zwischen ihm und dem Haus. Er, Ibrahim, der große Finanzmann des stolzen Sevilla, der Freund und Ratgeber des Emirs, hatte sich zwar von Jugend an zu dem Propheten Mohammed bekannt, aber er war nicht als Moslem geboren, sondern als Jude, und dieses Gebäude hier, das Castillo de Castro, hatte seinen Vätern gehört, der Familie Ibn Esra, solange die Moslems in Toledo geherrscht hatten. Als aber vor nunmehr hundert Jahren der damalige Alfonso, der Sechste seines Namens, die Stadt den Moslems entriß, hatten sich die Barone de Castro des Hauses bemächtigt. Mehrere Male war Ibrahim in Toledo gewesen, jedesmal war er verlangend vor der finstern Außenmauer des Schlosses gestanden. Jetzt, da der König die Castros aus Toledo vertrieben und ihnen das Haus genommen hatte, konnte er endlich das Innere sehen und erwägen, ob er sich den alten Besitz der Väter nicht zurückholen sollte.
    Nicht schnellen Schrittes, doch gierig prüfenden Auges war er über die vielen Treppen gegangen und durch die vielen Säle, Kammern, Korridore, Höfe. Es war ein ödes, häßliches Gebäu, mehr Festung als Palais. Von außen hatte es wohl auch damals nicht anders hergesehen, als Ibrahims Väter, die Ibn Esras, es bewohnten. Aber die hatten sicher das Innere mitbequemem arabischem Hausrat ausgestattet, und die Höfe waren stille Gärten gewesen. Es war verlockend, das Haus der Väter wieder aufzurichten und aus dem plumpen, verkommenen Castillo de Castro ein schönes, ziervolles Castillo Ibn Esra zu machen.
    Was für unsinnige Pläne. In Sevilla war er der Fürst der Kaufleute und gerne gesehen am Hofe des Emirs unter den Dichtern, Künstlern, Gelehrten, die der Emir aus der ganzen arabischen Welt um sich versammelt hatte. Er fühlte sich dort von ganzer Seele wohl, und so taten seine lieben Kinder, das Mädchen Rechja und der Knabe Achmed. War es nicht Sünde und Tollheit, wenn er mit dem Gedanken auch nur spielte, sein edles, hohes Sevilla zu vertauschen mit dem barbarischen Toledo?
    Es war keine Tollheit, und bestimmt nicht war es Sünde.
    Das Geschlecht der Ibn Esras, das stolzeste unter den jüdischen Geschlechtern der Halbinsel, hatte in den letzten hundert Jahren viele Umschwünge erfahren. Das Unheil, welches die Afrikaner bei ihrem Einbruch ins Andalús über die Juden brachten, hatte Ibrahim selber miterlebt, als Knabe, er hieß damals noch Jehuda Ibn Esra. Gleich den übrigen Juden des Königreichs Sevilla waren damals auch die Ibn Esras ins nördliche, christliche Spanien geflohen. Ihm aber, dem Knaben, hatte die Familie auferlegt, zu bleiben und sich zum Islam zu bekennen; er war befreundet mit dem Fürstensohn Abdullah, und man hatte gehofft, auf solche Art einen Teil des Vermögens zu retten. Als Abdullah die Herrschaft antrat, hatte er denn auch Ibrahim seine Reichtümer wieder zugesprochen. Der Fürst wußte, daß sein Freund im Herzen dem alten Glauben weiter anhing, viele wußten es, doch ließ
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