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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf
Autoren: Jakob Wassermann
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Kommenden froh entgegen. Der Messias, weil er so fern war, wuchs ins Unermeßliche vor ihren Augen, sein Haupt stand golden in den Morgenwolken, ihre Seele war ausgefüllt von ihm, weil der Druck niederer Dienstbarkeit auf ihnen lastete, die Verachtung eines ganzen Volkes, einer ganzen Welt. Tagelang wohnte eine dumpfe Angst über den Juden in Fürth; sie wagten nicht aus ihren Häusern zu gehen, sie ergaben sich ganz den Gefühlen der Zerknirschung oder der Erbitterung oder der Reue oder der Hoffnung.
    Da kam am zweiten Tage nach dem Fest die Kunde aus Norden, der berühmte Hamburger Jude Manoel Texeira, der Vertraute der Königin Christine von Schweden, habe sich öffentlich in der Synagoge für den Messias erklärt. Aus Amsterdam, aus London, aus Prag, aus Mainz, aus Frankfurt und aus Wien gingen Huldigungen an den Propheten ab, und seltsame Zeichen am Himmel machten auch den Christen das Herz schwer. Der Jude Wassertrüdinger in Fürth, genannt Weiber-Lambden, der bei schwangeren Weibern herumging und mit lauter Stimme Gebete las, sah nämlich am Samstag Abend, dem ersten des Monats Tibeth, einen großen anwachsenden Feuerschein am nördlichen Himmel. Seine Augen wurden naß vor Grauen und mit seinem Hinkbein lief er, so schnell es ging, in die Häuser der Juden und schrie mit halberstickter Stimme, daß Gott ein Zeichen gegeben habe. Viel Volk sammelte sich schweigend an den Ufern der Regnitz und Pegnitz, und Christen und Juden standen in gleicher Furcht, in gleicher mystischer Andacht Schulter an Schulter. Zacharias Naar tauchte auf, fiel am Schilf des Flusses nieder und wandte sein gelbes Gesicht mit den weiten Augen dem himmlischen Feuer zu. Er begann ein flehendes Gebet zu singen, eine klagenvolle Anrufung des Gottessohnes zu Smyrna und die Gemeinde fiel im Chorus beim letzten Vers mit ein. Einsilbig rauschte der Fluß durchs Land und die erblassende Röte des Firmaments beleuchtete unsicher die dunklen Talare der in süßer Verzückung heimkehrenden Juden.
    In derselben Nacht erhob sich ein gewaltiger Sturm, riß das heilige Kreuz von der katholischen Kirche herab, und als die Juden in der Morgenfrühe zum Gebet gingen, sahen sie über dem niederen Portal der Synagoge die Anfangsbuchstaben vom Namen des Sabbatai Zewi in goldenen Lettern stehen.
    Nun lebte ein Mann in Fürth, den man Maier Knöcker nannte; er hieß auch Maier Nathan und bei den Christen Maier Satan. Er hatte einen offenen Mund und eine häßliche Nase und war wegen seines Schacherns verhaßt. Knöckern heißt bei den Juden stammeln und ein Stammler war Maier Knöcker, der Nathan. Er sah mit scheelen Augen in das erregte Treiben seiner Glaubensbrüder, und inmitten des allgemeinen Rausches blieb er nüchtern und kalt. Er war nur besorgt, daß er von seinem Geld nichts verliere und beriet sich oft mit seiner Frau, wie man die Kasse am besten verwahren solle. Er wohnte in einem alten Haus mit vielen Löchern und Winkeln und jeden Tag in der Woche brachte er sein Geld in ein anderes Versteck. Sobald eine Nachricht von auswärts kam über irgend einen bedeutsamen Vorfall, irgend ein unerklärliches Ereignis, begann Maier Knöcker zu zittern und lief in sein Haus, um seine Schätze nachzusehen. Und als die Flut der Ereignisse schwoll und sich ausbreitete und die Länder bedeckte, wuchs auch in der Seele des Knöckers die Furcht vor dem Verluste seines Vermögens, und er konnte keinen ruhigen Schlaf mehr finden und mußte seine Bissen bei den Mahlzeiten in Unfrieden hinunterwürgen. Er betete sogar weniger, um seinem Hab und Gut ein besserer Wächter sein zu können. Er verdammte diese unruhigen Zeiten und es gab Tage, wo er sich nicht mehr über die Gasse wagte und die Türen versperrte, um einen geheimnisvollen Feind abzuhalten.
    Aber es war noch eine andere Furcht in diesem schiefen und winkelreichen Haus, das in jeder Stunde einzufallen schien und das beim hellen Mondschein der Herbstnächte einer Ruine glich. Der Maier Knöcker hatte eine Tochter. Sie war nicht gerade schön, aber sie hatte die üppigen Formen und die äußerliche Leidenschaft der jüdischen Weiber, und in ihren Augen war etwas dumpf Sinnliches, das die Männer zu ihr trieb. Rahel hatte nun vor langem ein Liebesverhältnis mit einem christlichen Studiosus aus Erlangen angeknüpft und war in dessen Armen gefallen. Seit Monaten fühlte sie ein junges Leben in ihrem Leib, und so oft sie daran dachte, was Vater und Mutter sagen würden, wenn sie es entdeckten, wurde ihr das Herz
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