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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Autoren: Scott McBain
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hielt, und blickte auf die menschliche Welt. Er sah Johannes  XXVI . sterben, das Gesicht schweißgebadet, den Leib im Todeskampf.
    »Josua«, stieß er hervor, »ich kann dir nicht weiterhelfen. Ich habe dir gesagt, dass es so kommen würde.«
    »Wenn Ihr sterbt«, rief Josua, »reißt das Seil, und ich stürze ab.«
    »Du musst mir vertrauen, du wirst nicht stürzen. Die Macht, die dich erhebt, ist nicht die Macht der Münze. Sie kommt von Zion.«
    »Verlasst mich nicht! Bitte!«
    Josua spürte, wie das Seil spleißte und riss. Er griff vergeblich nach der tückischen Bergwand, während die Quelle des Glaubens, die ihm verliehen worden war, versiegte. Im freien Fall stürzte er von dem Felsvorsprung, auf dem er spirituell gestanden hatte, in die Tiefe.
    »Josua.«
    Ein Seil schlang sich um seinen Körper und seine Hände. Er blickte auf. Oberhalb des Adlerhorstes – über dem Ort der Heiligen – stand ein kleiner Junge. Als Josua den Hauptmann der Armee Gottes gewahrte, staunte er. Wie konnte es sein, dass so viel Gnade in einem solch kleinen Menschen steckte? Der Knabe blickte auf ihn hinab.
    »Ich helfe dir. Gib nicht auf!«
    Schluchzend rief Josua: »Ich kann diesen Berg nicht weiter hinaufsteigen.«
    »Mein Bruder«, sagte der Knabe, »du steigst nicht einen Berg hinauf. Du erklimmst das Antlitz Christi.«

66
    … der Gerechte findet Zuflucht in seiner Redlichkeit.
    Sprüche 14,32
     
    I m Petersdom stand Kardinal Rienzi neben dem Mailänder Kardinal, während sie die Messe am Hochaltar lasen. Fünfzehn weitere Priester hatten sich um sie versammelt, darunter zwei Kardinäle – alles, was von ihnen übrig geblieben war. Johannes  XXVI . war in der Nacht gestorben – ebenso wie eine große Anzahl der behinderten Kinder und geistig Kranken. Was ihre Gemeinde betraf, waren weniger als fünfhundert Menschen in der Kirche, eingemummelt in dicke Mäntel. Über die Hälfte der Stadt war beim Brand zerstört worden, viele Viertel standen immer noch in Flammen. Dank eines Wechsels der Windrichtung war der Vatikan verschont geblieben, doch alle Gebäude, die vom Petersplatz zur Villa Conciliazone hinabführten, waren ausgebrannte Hüllen. Noch drei Wochen, dann würden die Überlebenden die Geburt ihres Religionsgründers feiern.
    Während Rienzi der Schriftlesung lauschte, erinnerte er sich an eine Frage, die ihm ein junges Mädchen zugerufen hatte, als er am Morgen die Kirche betrat.
    »Wann kommt Jesus?«
    »Bald«, hatte der Kardinal spontan geantwortet.
    »Aber dann werden wir alle tot sein!«
    Wie wahr. Der Sohn Gottes war nicht für seine Pünktlichkeit bekannt. Der Großteil der Gemeinde hier im Petersdom hatte noch nie eine Kirche besucht. Viele gehörten anderen Konfessionen an oder gar keiner, doch das war nicht wichtig. Sie alle kamen in dieses Haus, weil sie sonst nirgendwo hingehen konnten und weil sie in dieser Zeit der Katastrophe mit ihren Mitmenschen zusammen sein wollten. Wie viele würden morgen noch da sein? Vielleicht die Hälfte.
    Einige Gläubige traten vor, um das Sakrament zu empfangen, unter ihnen die Frau, die den behinderten Knaben im Arm trug, als sie neben dem Papst stand. Es war ein Wunder, dass sie und das Kind, obgleich die Seuche wütete und es sehr kalt war, noch am Leben waren. Der Junge blickte den Kardinal aus leblosen Augen an, während seine Adoptivmutter Wein aus dem Kelch trank, den der Knabe hielt. Wie seltsam. Unter allen in der Kirche Anwesenden waren sie die einzigen, die keine Schutzmaske trugen. Torheit oder Heiligkeit? Das Kind lächelte der Frau zu, die das Lächeln erwiderte.
    Als die Messe zu Ende war, trat Rienzi einen Schritt vor. Zeit, die Lehren Johannes’ XXVI . in die Tat umzusetzen. Er ging die Stufen des Hochaltars hinunter, so dass er auf der gleichen Ebene wie die Gemeindemitglieder stand, und rief: »Die, die kein Zuhause mehr haben – kommt und bleibt bei uns! Der Vatikan steht euch offen. Ihr seid alle willkommen. Selbst wenn ihr krank seid, kommt!«
    Ein Gemurmel des Dankes erhob sich. Rienzi kehrte zu den anderen Priestern zurück. »Wir wollen uns auf unsere Gäste vorbereiten.«
    »Wo wollen wir sie unterbringen?«, fragte der Kardinal aus Mailand.
    »Wir haben viel Platz. Hatten wir immer.«
    Rienzi nahm seine Schutzmaske ab und ging den Mittelgang der Basilika hinunter, dabei grüßte er die Menschen, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen. Die drei Kardinäle folgten ihm mit hochgezogenen Brauen. Das war ein neuer Rienzi. Woher kam
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