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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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Betrieben sowie Kleinbauern, die oftmals Pächter des von ihnen bewirtschafteten Landes sind, auf der |26| anderen Seite agrarindustrielle Großbetriebe und die Nahrungsmittelindustrie, deren Macht ungebrochen wächst.
Essen auf Rezept: Die Joghurt-Lüge
    Welche Kategorien der Lebensmittel- und Getränkeindustrie die höchsten Zuwachsraten aufweisen, wollten Analysten des Marketing-Informationsunternehmens ACNielsen wissen. Die im Jahr 2004 weltweit durchgeführte Studie 13 ergab, dass gleich sieben Kategorien innerhalb der internationalen Lebensmittel- und Getränkeindustrie zweistellige Zuwachsraten aufwiesen. Fünf der Blockbuster warben mit Gesundheitsvorteilen oder schlankheitsfördernden Eigenschaften. An der Spitze lagen Sojadrinks und Trinkjoghurts mit Umsatzsteigerungen von 31 beziehungsweise 19 Prozent.
    Diese Produktgruppen waren bereits 2002 aufgefallen, weil sie schon damals ein überdurchschnittliches Wachstum aufwiesen. Für die Konzerne der Lebensmittelbranche kommt das Wissen über die Präferenzen ihrer Kunden einer Lizenz zum Gelddrucken gleich: »Die Analyse zeigt, dass Ernährung und Gesundheit bei Verbrauchern weltweit einen hohen Stellenwert haben. Dieser Trend wird unterstützt durch zahlreiche Medienberichte zu Themen wie Fettleibigkeit und Diabetes.« 14 Für die Etablierung neuer Trends greift die Branche tief in die Tasche. Über 1,66 Milliarden Euro investierten Lebensmittelunternehmen im Jahr 2005 in Werbung. Bezieht man auch die Getränkehersteller mit ein, kommen weitere 895 Millionen Euro hinzu. 15 Der Einsatz lohnt. 655 Millionen Euro mehr als im Vorjahr setzte die Branche zum Beispiel weltweit mit Trinkjoghurts um, eine Steigerung von 19 Prozent. Keine andere Produktgruppe konnte einen derartigen Erfolg verbuchen, und selbst Sojadrinks, die mit einer Wachstumsrate von 31 Prozent offiziell die Hitliste der globalen Bestseller anführen, ließen lediglich 244 Millionen Euro mehr in die Kassen der Unternehmen fließen als im Vorjahreszeitraum. Kunden lieben Produkte, die ihnen Gesundheit, Wohlbefinden und Fitness versprechen, und sie reagieren auf das werbende Dauerfeuer mit dem Griff ins Kühlregal. Laut ACNielsen verbinden Verbraucher 12 der |27| 17 gefragtesten Lebensmittelkategorien mit den Begriffen »gesund« oder »Wellness«, ein Trend, den die Industrie geschickt zu nutzen weiß. Selbst eine Liaison mit Institutionen und Unternehmen aus der Gesundheitsbranche ist nicht mehr undenkbar, wie unsere französischen Nachbarn demonstrieren. Denn im Land der Gaumenfreuden scheint schon heute eine neue Ära angebrochen: die des Essens auf Rezept.
    Seit 2006 können sich französische Verbraucher ihre Kosten für den Joghurt- und Margarineeinkauf von ihren Krankenversicherern erstatten lassen – wenn es sich dabei um cholesterinsenkende Produkte der Firmen Danone und Unilever handelt. Ende 2005 hatten Unilever und die auf Zusatzkrankenversicherungen spezialisierte Maaf Santé ein Abkommen geschlossen, wonach Maaf seinen Mitgliedern bis zu 40 Euro jährlich erstatten will, wenn diese den Kassenbon über die gekaufte cholesterinsenkende Margarine der Marke Fruit d’Or vorlegen. Unilever war bereits Anfang des Jahres eine ähnliche Partnerschaft mit dem niederländischen Versicherer VGZ eingegangen. Mit Erfolg: Der Verkauf der Produkte schnellte um 25 Prozent in die Höhe. Konkurrent Danone will nun nachziehen und mit der Allianz-Tochter AGF eine ähnliche Vereinbarung für seine Marke Danacol treffen. Mit »Danacol«, einem Joghurtdrink mit Phytostanol-/Phytosterin-Zusatz, will die weltweite Nummer eins für Milchfrischprodukte den explodierenden Markt cholesterinsenkender Getränke erobern, der allein 2004 in Großbritannien um mehr als 500 Prozent zugelegt hatte. Danone erwartet für »Danacol« einen ähnlichen Siegeszug, wie er mit dem probiotischen Joghurt-Drink »Actimel« gelungen war. Verbraucherschützer halten solche Deals nicht zu Unrecht für skandalös. Denn Unilever und Danone haben den Weg frei gemacht für eine Instrumentalisierung der Gesundheit zu Marketingzwecken – eine opake Mixtur aus Fakten und Faktoren, die sich am Maximalgewinn orientiert. Und das zum Therapeutikum aufgepeppte Lebensmittel muss seine Potenz und Unbedenklichkeit nicht einmal in strengen klinischen Studien unter Beweis stellen, wie das bei Arzneimitteln der Fall ist. Im Gegensatz zu jenen dürfen Verbraucher »Medi-Kost« blindlings, in unbegrenzter Menge und auf Dauer schlucken (siehe Kapitel
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