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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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In anderen Ländern verläuft die Verteilung nicht gerechter – wer Agrarland besitzt oder einen Betrieb unterhält, profitiert von den öffentlichen Geldspritzen, egal, welchen Beruf er sonst ausübt:
|22| Bis 2005 erhielt das finanzstärkste Molkereiunternehmen Deutschlands, Müllermilch (Jahresumsatz zirka 2 Milliarden Euro), aus EU-, Bundes- und sächsischen Landesmitteln über 70 Millionen Euro, um das größte Milchwerk Europas in Sachsen zu errichten. Nach Zusage der Millionenhilfe schloss Müller zwei andere Werke in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, 165 Arbeitsplätze gingen verloren, am neuen Standort kamen nur 148 dazu. 8
In Dänemark werden vier Minister der Regierung, mehrere Parlamentsabgeordnete und sogar die dänische EU-Kommissarin mit Zahlungen unterstützt, die in die Millionen gehen.
Adlige gehören zu den größten Nutznießern. Die britische Queen (geschätztes Vermögen: zwischen 5 und 15 Milliarden Euro) wird mit 800 000 Euro unterstützt, Monacos Regent Fürst Albert mit 300 000 Euro, der Herzog von Westminster (geschätztes Vermögen: 7 Milliarden Euro) mit 260 000 Euro, der Herzog von Marlborough (geschätztes Vermögen: 1,4 Milliarden Euro) mit rund 300 000 Euro, Prinz Charles mit 330 000 Euro. 9
In Großbritannien wird der Zuckergigant Tate & Lyle (Umsatz: 3,6 Milliarden Euro) kräftig subventioniert.
In den Niederlanden erhielt Landwirtschaftsminister Cees Veerman 150 000 Euro an Subventionen. Subventionsspitzenverdiener waren zwischen 1999 und 2003 der niederländische Zweig des Nahrungsmittelkonzerns Mars Incorporated, der Bierkonzern Heineken NV und der US-Tabakhersteller Philip Morris.
Zu den Top-Begünstigten in der Slowakei zählte 2003 und 2004 Landwirtschaftsminister Zsolt Simon mit 1,3 Millionen Euro.
In Belgien gehörten die Bank Crédit Agricole, die BASF (Umsatz 2004: 37 Milliarden Euro), das größte Chemieunternehmen der Welt, Campina, eines der größten Milchverarbeitungsunternehmen (1996 aus der ehemaligen Südmilch AG entstanden, 2004 rund 3,6 Millionen Euro Umsatz, rund 1,5 Milliarden Liter Milchverbrauch pro Jahr) sowie der größte Lebensmittelkonzern der Welt, Nestlé, zu den am kräftigsten subventionierten Unternehmen. 10
    |23| Solche Zahlen erhellen nur punktuell die missliche EU-Subventionspolitik, die in allen Mitgliedsstaaten Fuß gefasst hat und wettbewerbsverzerrende Auswüchse treibt. Weil die EU ihre Gelder fast ausschließlich nach der Größe der Anbaufläche verteilt (jeder Hektar bringt rund 300 Euro pro Jahr ein), mehren die steuerfinanzierten Subventionen das Vermögen von Großbetrieben und Großgrundbesitzern. Insgesamt 44 Milliarden Euro hat Brüssel 2005 an landwirtschaftliche Betriebe überwiesen, davon kamen 53 Prozent den Großen zugute, die gerade 6 Prozent aller Höfe ausmachen. Auf diese Weise wird jeder Steuerzahler durch die Hintertür gleich mehrfach zur Kasse gebeten. Er subventioniert den Anbau, die Verarbeitung und den Export von Produkten. Und weil Drittweltländer kaum eine Chance haben, ihre Waren loszuwerden, zahlt er auch noch Entwicklungshilfe. Nicht mitgerechnet sind die Millionen an Forschungsgeldern auf nationaler Ebene, mit denen die Landesregierungen über Jahre hinweg umsatzstarke Unternehmen bei der Stange halten.
Verlierer sind die kleinen Landwirte
    Für klassische und kleinere Landwirtschaftsbetriebe bedeuten die derzeitige Subventionsmanier und immer niedrigere Abnahmepreise einen Tod auf Raten. Bauern, einst wichtigste Nahrungsmittellieferanten, sind zu Produzenten von Rohstoffen zum Discounttarif für die Lebensmittelindustrie mutiert. Die Statistik spricht Bände. Derzeit liegt die durchschnittliche Fläche eines Vollerwerbsbetriebs in Westdeutschland bei knapp unter 50 Hektar – 1980 waren es noch 25 Hektar. Während ein Landwirt 1950 noch zehn Menschen ernährte, sind es derzeit 108. Ein Ende der fatalen Entwicklung ist nicht abzusehen. Also heißt es für bäuerliche Betriebe auch in Zukunft: entweder wachsen oder weichen.
    Wie desolat die Lage vieler Landwirte ist, erfuhr die Öffentlichkeit im Jahr 2004, als Tausende Milchbauern gegen die Preispolitik von Aldi auf die Straße zogen. Hintergrund war die Ankündigung des Discounters, für Milch noch weniger zu bezahlen als bislang. Ohnehin schon erhielten Bauern damals für einen Liter Milch im |24| Schnitt 27,7 Cent, also 4,3 Cent weniger im Jahr 2001. 11 Auch Lidl und andere Discounter drohten nachzuziehen. Nur zwei Jahre später, Anfang 2006, sahen
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