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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada
Autoren: Jules Verne
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Beziehung zu einander. Wie Torres gesagt hatte, quälten den Uebelthäter aber bald genug Gewissensbisse. Die Erinnerung an seine Frevelthat erfüllte ihn mit Schrecken. Er hatte erfahren, daß ein Anderer an seiner Statt verurtheilt worden war, er kannte auch diesen Anderen, seinen gänzlich unschuldigen Collegen Joam Dacosta. Erfuhr er endlich auch, daß es Jenem gelungen sei, sich der ihm drohenden schimpflichen Hinrichtung zu entziehen, so schwebte doch noch immer das Schwert über seinem Haupte.
    Als nun die genannte Miliz vor nicht allzu langer Zeit einmal bis über die peruanische Grenze hinüber schweifte, kam Ortega zufällig in die Nähe von Iquitos, und da fand er unter Joam Garral, der ihn selbst nicht erkannte, den früheren Joam Dacosta wieder.
    Damals beschloß er, so weit ihm das möglich wäre, das dem ehemaligen Collegen angethane Unrecht wieder gut zu machen und setzte ein Document auf, in dem er alles, auf den Ueberfall bei Villa Rica Bezügliche niederschrieb; aber er that es in der, dem Leser bekannten geheimnißvollen Form, in der Absicht, es dem Fazender von Iquitos sammt der zur Enträthselung der Schrift nöthigen Zahl zu übersenden.
    Der Tod verhinderte ihn an der völligen Durchführung dieses Planes. In einem Scharmützel mit Negern am Madeira-Flusse schwer verwundet, erkannte Ortega, daß sein Ende nahe sei. Sein Kamerad Torres befand sich an seiner Seite; diesem Freunde glaubte er das Geheimniß anvertrauen zu dürfen, das schon so lange und so schwer auf ihm gelastet hatte. Jenem überlieferte er das eigenhändig geschriebene Document und nahm ihm einen Eid ab, dasselbe Joam Dacosta zu überliefern, dessen jetzigen Namen und Aufenthaltsort er ihm mittheilte, und mit dem letzten Seufzer flüsterte er noch die Zahl vierhundertzweiunddreißigtausendfünfhundertdreizehn, ohne deren Kenntniß das Schriftstück völlig unverständlich bleiben mußte.
    Der Leser weiß, wie Torres nach Ortega’s Ableben sich seines Auftrages entledigte, wie er aus dem, in seinen Händen befindlichen Geheimniß Nutzen zu ziehen beschloß, wie er dasselbe zum Gegenstande eines schamlosen Tauschhandels zu machen versuchte.
    Torres mußte vor gänzlicher Durchführung seiner bübischen Absichten gewaltsamen Todes sterben und nahm sein Geheimniß mit in das Wassergrab. Der von Fragoso zuerst erwähnte Name Ortega aber, gleichsam die Signatur des Schriftstückes, dieser Name führte endlich, Dank dem Scharfsinne des Richters Jarriquez, dazu, das Kryptogramm in allgemein verständliche Schrift zu übersetzen.
    Ja, hiermit lag der so lange gesuchte materielle Beweis vor Augen, das unwiderlegbare Zeugniß der Unschuld des, dem Leben und der Ehre wiedergegebenen Joam Dacosta.
    Die Hurrahs erschallten mit verdoppelter Lebhaftigkeit, als der würdige Beamte mit lauter Stimme zur Erbauung Aller diese spannende Geschichte vorgetragen hatte.
    Von dieser Stunde ab ließ der Richter Jarriquez, der Besitzer des unbestreitbaren Beweises, in Uebereinstimmung mit dem Chef der Polizei, es sich nicht nehmen, Joam Dacosta, den er vor Eintreffen weiterer Instructionen von Rio de Janeiro doch nicht völlig auf freien Faß setzen durfte, einstweilen in seinem eigenen Hause unterzubringen.
    Das konnte er sich jedenfalls, ohne Ueberschreitung seiner Machtbefugnisse, erlauben, und unter dem Zusammenlauf der ganzen Einwohnerschaft Manaos sah sich Joam Dacosta gleich einem Triumphator mehr nach der Dienstwohnung des hohen Beamten getragen, als daß er, begleitet von allen seinen Angehörigen, dahin ging.
    Diese Stunde belohnte den ehrenwerthen Fazender von Iquitos reichlich für alle Leiden einer langjährigen Verbannung, und wenn er sich jetzt, mehr um seiner Familie als um seiner selbst willen, glücklich fühlte, so regte sich in ihm auch ein gewisser vaterländischer Stolz, daß die Heimat sich nicht durch einen schrecklichen Justizmord besudelt hatte.
    Was wurde inzwischen aber mit Fragoso?
    Nun, der Liebenswürdige wurde von Zärtlichkeiten fast erdrückt. Benito, Manoel und Minha überhäuften ihn damit, und Lina ersparte ihm dieselben nicht. Er wußte kaum, woran er war, und wehrte sich, so gut es anging. So viel des Dankes verdiente er ja gar nicht! Der Zufall allein hatte Alles gethan! War es denn ein so besonderes Verdienst von ihm, daß er in Torres einen früheren Waldkapitän wieder erkannt hatte? Gewiß nicht. Auch sein Einfall, die Miliz, der Torres früher angehört hatte, aufzusuchen, schien doch von vornherein die
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