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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Autoren: Z. A. Recht
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suchte panisch nach seinem Funkgerät. In der Aufregung ihrer in letzter Sekunde erfolgten Rettung hatte er seine Leute am Treffpunkt sowie Stiles völlig vergessen. Er musste ihnen sagen, dass sie abhauen konnten, dass alle Mann gesund und in Sicherheit waren. Er drückte den Sendeknopf.
    » Ghost Lead an Ghost Evac«, sagte er. » Bitte melden, Ghost Evac.«
    Die Antwort kam sofort. Man hatte schon auf seinen Funkspruch gewartet. » Gut, Sie zu hören, Ghost Lead. Wir haben Schüsse gehört. Lagebericht, Sir. Ende.«
    » Haut ab, Ghost Evac. Wir sind aus der Stadt raus. Ngasy ist mit dem dritten Laster aufgetaucht. Haut ab zum Ursprungslager. Wie geht es Stiles? Ende.«
    » Stiles ist gegangen, Sir«, kam die von einem Rauschen begleitete Antwort.
    Sherman legte eine Hand auf Mbutus Arm und wies ihn stumm an, anzuhalten, bevor sie außer Reichweite der Handfunkgeräte waren.
    » Tot?« Sherman fühlte sich urplötzlich leicht bedrückt.
    » Nein, Sir, nicht tot– gegangen! Statt zu uns zu kommen, ist er in eine Seitenstraße abgebogen. Die Überträger sind alle hinter ihm her. Wir glauben, er wollte nicht, dass sie uns anstecken, Sir. Wir glauben, dass er so ’ne Art Kamikaze-Attacke vorhatte. Ende.«
    Sherman saß einen Augenblick lang da, ohne sich zu rühren. Dann holte er tief Luft. Er hatte dergleichen schon mehrmals erlebt. Verwundete, die genau wussten, dass es mit ihnen zu Ende ging, begingen Heldentaten, die mit ihrem eigenen Ableben endeten. Der Psychologe, der ihm die Gruppenstimmung erläutert hatte, hatte auch etwas erwähnt, dass man Doc-Holliday-Syndrom nannte, nach dem berühmten Revolvermann. Holliday hatte an Tuberkulose gelitten und gewusst, dass er es nicht mehr lange machen würde. Deswegen war er Risiken eingegangen, die jeder andere Mann gescheut hätte. Schließlich war er ein Todeskandidat. Stiles hatte das Gleiche getan. Die Infizierten hatten ihn vermutlich inzwischen getötet. Bald würde er irgendwo als Watschler auferstehen. Aber er hatte seine selbst gestellte Aufgabe erfüllt. Er hatte sie von seinen Kameraden fortgelockt.
    Hätte es noch eine funktionierende Regierung gegeben, hätte Sherman den Tapferkeitsorden für ihn beantragt– und wäre dieser ihm versagt worden, das Kreuz für exzellente Dienste. Das war Hingabe. In dieser Hinsicht hatte auch Mbutu, wäre er Soldat oder zumindest Bürger der Vereinigten Staaten gewesen, einen Orden verdient.
    Der stotternde Motor des Lasters riss Sherman aus seinen Gedanken. Der Wagen hustete zweimal, stieß ein jämmerliches Winseln aus und erstarb.
    » Was zum…?«, sagte Sherman mit gefurchter Stirn.
    » Wir haben keinen Sprit mehr.« Mbutu deutete auf die Armaturenbrettanzeige. » Der Zeiger stand schon in der Stadt an der roten Linie. Erstaunlich, dass wir so weit gekommen sind.«
    » Na ja, weit genug sind wir immerhin.« Sherman öffnete die Tür und sprang hinaus. Er deutete in Richtung Stadt und richtete sich an die Überlebenden auf der Ladefläche. » Absitzen, Leute! Die Karre ist erst wieder nutzbar, wenn wir Sprit auftreiben können. Gewehrschützen, die Straße im Auge behalten. Könnte doch sein, dass ein paar neugierige Infizierte vorbeikommen, um nachzuschauen, ob wir noch in der Nähe sind.«
    Sherman sagte es zwar nicht, aber er war sich zu hundert Prozent sicher, dass sie die Infizierten in einigen Minuten am Hals hatten. Bei Suez waren sie einem Laster durch die halbe Wüste gefolgt, bloß weil sie ihn hin und wieder beim Überfahren der Dünenkämme gesehen hatten. Da konnten sie auch locker ein paar Kilometer hinter einem Laster voller Abendessen herlaufen, um zu sehen, ob er anhielt. » Bleibt wachsam. Verlasst euch mehr auf die Ohren als auf die Augen. Nach der Straßenbeleuchtung seid ihr in den nächsten Minuten noch immer nachtblind.«
    Die Leute stiegen ab. Die Soldaten knieten sich auf den aufgesprungenen alten Weg. Andere machten sich in den Gräben daneben lang. Die Büsche raschelten. Ein paar Soldaten schwangen ihre Waffen sofort herum, doch es waren nur die zurückgelassenen Zivilisten. Ihr ursprüngliches Versteck, dort, wo man die ganze Rettungsaktion geplant hatte, lag nur hundert Meter die Straße hinauf. Die Flüchtlinge hatten beschlossen, auf die Scheinwerfer des Lasters zuzugehen. Ihre Mienen besagten, dass sie überglücklich waren, in der Nähe auf freundlich gesinnte Bewaffnete zu stoßen.
    Sherman aktivierte sein Funkgerät.
    » Ghost Evac, seid ihr schon abgehauen? Ende.«
    » Ja, Sir,
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