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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil
Autoren: Will Adams
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Lily skeptisch.
    «Stellen Sie sich vor, Sie leben hier in Amarna», sagte Knox nickend. «Es ist Ihr Paradies, Ihr Garten Eden, Ihr Gelobtes Land. Sie sind sich sicher, dass nichts Schlimmes passieren kann, denn dies ist die Heimat des einzigen, wahren Gottes auf Erden, und Sie stehen unter seinem Schutz. Aber dann geschieht doch etwas Schreckliches. Sie werden verbannt, müssen über Nacht fliehen und Ägypten schließlich ganz verlassen. Wie ist das möglich? Die einzige Erklärung kann doch nur sein, dass Sie Ihren Gott auf irgendeine Weise verärgert haben, dass Sie ihn irgendwie enttäuscht haben. Sie schwören, dass das nie wieder geschehen wird. Sie erneuern Ihren Bund mit Gott. Und im Gegenzug schenkt Ihnen Gott ein neues Amarna, einen neuen Garten Eden, ein neues Gelobtes Land. Aber dieses Mal nicht in Ägypten, sondern in Kanaan. Jahrzehnte, Jahrhunderte vergehen. Das Volk, das geflohen ist, teilt sich in verschiedene Siedlungen und Stämme auf, die alle eine eigene Identität haben, aber weiterhin durch die gemeinsameFlucht aus Ägypten verbunden sind. Die Geschichten werden vom Vater an den Sohn weitergegeben, wieder und wieder und wieder, sodass sie sich mit der Zeit durch die Erfindungen des jeweiligen Erzählers und durch das Einfließen regionaler Vorfälle verändern. Irgendwann wird man nicht mehr sagen können, was wirklich geschehen ist. Die Geschichten haben auch nichts mehr mit denen der Nachbarvölker zu tun, obwohl sie ursprünglich die gleichen Ereignisse beschreiben. Dann kommen die Babylonier. Sie besiegen die Israeliter im Kampf, zerstören ihre Tempel und zwingen sie ins Exil. Dort gehen sie in sich und fragen sich einmal mehr, wie solch ein Unheil über Gottes auserwähltes Volk hereinbrechen konnte. Sie suchen Antworten in ihrer Herkunft und Entwicklung, sammeln diese ganzen verschiedenen Traditionen und verflechten sie mit ihren mesopotamischen und kanaanitischen Lieblingsmythen, um eine einzige Erzählung von Adam und Eva, Abraham und Moses, von diesem ganzen Hin und Her zwischen Ägypten und Kanaan und von diesen unzähligen Gärten Eden und Gelobten Ländern und Neuen Jerusalems zu erschaffen. In Wirklichkeit handeln diese Geschichten aber nicht von zahllosen Patriarchen und Zeiten und Orten. Sie handeln von einem Patriarchen, einer Zeit und einem Ort. Sie handeln einzig und allein von Echnaton und Amarna.»
    «Das kann nicht sein», murmelte Lily leise.
    «Wussten Sie, dass Echnaton befreundete Könige um exotische Tiere als Geschenke bat? Er hat sie hier gehalten. Während der jährlichen Überschwemmungen des Nils wurde immer die gesamte Ebene von Amarna überflutet. Bestimmt musste man die ganzen Tiere jedes Mal auf Flöße laden. Erinnert Sie das an eine Bibelgeschichte?»
    «Das kann doch nicht sein.»
    «Als Adam und Eva in der Schatzhöhle waren, gab Gott ihnendie ersten Dinge, die ein Mensch jemals besessen hat: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Wir wissen sogar, wie viel Gold sie besessen hatten. Siebzig Ruten. Was seltsam ist, denn eine Rute ist keine Gewichts-, sondern eine Längeneinheit. Eine Rute entspricht ungefähr fünf Metern. Ungefähr so lang ist jede einzelne dieser Stufen.»
    «Siebzig Ruten wären dann also dreihundertfünfzig Meter», murmelte Lily.
    «Genau.»
    Vor ihnen öffnete sich der Gang in eine Kammer. Der goldene Strich am Boden endete an der gegenüberliegenden Wand. «Und wie weit sind wir Ihrer Meinung nach gekommen?», fragte sie.
    «Ich würde sagen, ungefähr dreihundertneunundvierzig Meter.»

III
    Khaled war zu Faisal auf den Grund des Schachts geklettert und spähte in die neue Kammer und den Gang. Eine männliche Leiche trieb mit dem Kopf nach unten im Wasser. Er hob den Kopf an den mit Blut verklebten Haaren hoch. Es war Stafford, dieser Fernsehtyp. Also blieben noch drei. Er ließ den Kopf wieder fallen, nahm die Taschenlampe in die eine Hand und die Kalaschnikow in die andere und watete durch die Kammer in den Gang. «Was ist?», blaffte er Faisal an, der zurückgeblieben war. «Kommst du mit oder nicht?»
    «Lassen Sie uns lieber wieder gehen», bat Faisal. «Wir haben noch genug Zeit.»
    «Und dann?»
    «Was glauben Sie denn? Wir verschwinden.»
    Khaled zögerte. Sollte er irgendwo ein neues Leben beginnen, wo ihn niemand kannte? In Port Said oder Assuan? Oder über der Grenze in den Sudan oder nach Libyen gehen? Es war kein Problem, sich eine neue Identität zu verschaffen, wenn man Kontakte und Geld hatte. Aber eine neue Identität war
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