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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben
Autoren: Bruno Maccallini
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über die Schauspieler bis hin zu mir – ich war diesmal nicht nur der Regisseur, sondern auch der Produzent der Tournee –, im ganzen Ort auf die Suche nach einem Minimum an Ausstattung, damit die Aufführung trotzdem stattfinden konnte: ein Sofa, einen Rollstuhl, einen künstlichen Papagei mit Käfig, Regale, Kleidung und Schuhkartons. Einen ganzen Tag verbrachten wir damit, ein neues Bühnenbild zu entwerfen, neue Abläufe zu proben.
    Währenddessen versuchte mein Partner, der auch die administrativen Aufgaben übernommen hatte, zusammen mit dem Direktor des Theaters und einigen Carabinieri Licht in die Angelegenheit zu bringen.
    » Marescià , ich sage Ihnen noch einmal, dass der Lastwagen gestern Abend um 22 Uhr hier mit der Motorhaube an der Wand stand. Wer auch immer eingedrungen ist, muss danach gekommen sein und hat nicht mal das Schloss am Tor aufgebrochen … Schauen Sie, es ist intakt!«, sagte der Direktor.
    »Das ist ja schön und gut, aber der Lastwagen kann doch nicht einfach weggeflogen sein! Nun sagen Sie mal …wer außer Ihnen hat einen Schlüssel für den Parkplatz?«
    »Niemand außer mir, Marescià … ich mache hier inzwischen alles … ich bin der Direktor, der Bühnentechniker und sogar der Nachtwächter.«
    »Wenn wir wenigstens wüssten, ob der Wagen abgeschlossen war und ob er eine Diebstahlsicherung durch Satellitenortung hatte …«
    »Leider nicht, aber der Lastwagen war bestimmt abgeschlossen … unser Fahrer ist da sehr gewissenhaft«, erklärte mein Partner. Für den diensteifrigen Maresciallo, den Kommandanten der lokalen Carabinieristation, war es nicht der erste Diebstahl eines kompletten LKW s. Drei Tage zuvor hatte man einen anderen Lastwagen zwischen Cerignola und Canosa auf der Staatsstraße 98 ausgeraubt. Die Verbrecher hatten das Fahrzeug angehalten und es für eine Viertelstunde in ihre Gewalt gebracht, doch am Ende hatten sie nur eine Palette Schinken mitgehen lassen. Und einen Monat davor war einem Mann, der mit einer Ladung Zigaretten an Bord seines Lastwagens nach Foggia unterwegs war, nichts anderes übrig geblieben, als anzuhalten, weil ein Wagen quer auf der Straße stand und ihm den Weg versperrte. Als der Mann bremste, stieg aus einem grauen Audi hinter ihm, aus dem mit Höchstlautstärke die regionale Volksmusik dröhnte, ein Kommando vermummter Männer mit Pistolen im Anschlag aus und bedrohten ihn: »Entweder du tanzt die Tarantella, oder wir erschießen dich.« Der Mann überlegte nicht lang. Er ging an den Straßenrand und tanzte zum mitreißenden Rhythmus der Musik. Den Männern blieb inzwischen genug Zeit, die Ladung Zigaretten abzuladen und ihre Beute in Sicherheit zu bringen.
    Am späten Abend wurde der Unglückliche, der in seinem Schockzustand immer noch tanzte wie buchstäblich von der Tarantel gestochen, von einer Streife aufgelesen und zum Verhör ins Präsidium gebracht. Den Lastwagen fand man dann am nächsten Tag vollkommen leer in einem Außenbezirk von Cerignola.
    »Keine Sorge … Ihr Lastwagen wird vor morgen Abend wieder hier sein. Was sollen die denn mit Ihrem Bühnenbild anfangen … Das ist bestimmt wieder die Tarantellabande, die sich auf Diebstahl und Erpressung spezialisiert hat. Die stehlen Schwerlaster, und dann rufen sie die Beraubten an und erpressen von ihnen ein geringes Lösegeld …«
    Mit der blasierten Langeweile von jemandem, für den Vorfälle dieser Art mittlerweile zum Alltag gehörten, zeigte sich der Maresciallo weit mehr an unserem Plakat interessiert, auf dem eine Dame in einem sehr offenherzigen Kleid abgebildet war, als an dem gestohlenen Laster.
    In dem Augenblick kamen wir anderen mit einem Kleinbus an, bis an die Oberkante beladen mit verschiedenen Gerätschaften und Möbelstücken, die wir zusammen mit einigen Karnevalskostümen bei einem Trödler aufgetrieben hatten. Jetzt waren wir bestens gerüstet, um die nächsten drei Vorstellungen in Apulien zu bestreiten. Der Fahrer und ich gingen zum Maresciallo, während die Schauspieler und die Schneiderin beim Abladen halfen. Da er sonst nichts zu sagen hatte, wiederholte der Unteroffizier die Geschichte von der »Tarantellabande« und schilderte uns weitere Diebstähle, die in den letzten sechs Monaten in der Gegend begangen worden waren. Dabei starrte er unseren Schauspielerinnen hinterher, wenn sie mit voll beladenen Körben an ihm vorbeiliefen, und warf sich jedes Mal so sehr in der eng sitzenden Uniform in die Brust, dass sie wegen seiner Leibesfülle beinahe
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