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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben
Autoren: Bruno Maccallini
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ihn nicht wieder. Er muss sich so verändert haben, nachdem man ihm alles weggenommen hatte: den Arbeitsoverall, die Fabrik, die Kollegen, die Gewerkschaft.
    »Ganz ruhig, Ciclopu, was hast du denn?«
    Wieder diese Stille, das ist nicht nur mein Eindruck, alle starren uns jetzt an, Gläser und Tassen verharren in der Luft, nur Minirock und Lockenmähne der Kellnerin schwingen noch zwischen den Tischchen hin und her.
    »Ach, du kapierst doch gar nichts … geh, geh du nur und spiel schön Theater!«
    Und jetzt nach Noto. Nur 32 Kilometer von Syrakus entfernt liegt dieses andere kleine Barockjuwel auf einer Hochebene, die das gesamte Asinarotal beherrscht. Nach der Besichtigung der berühmten Kathedrale erwartet uns ein Besuch bei der Magierin Rosina, die auf Kartenlegen spezialisiert ist. Mein Freund aus Rom, der an seiner Beziehung zweifelt und deswegen gerade eine tiefe Krise durchmacht, hatte den Termin bei ihr bereits zwei Wochen zuvor telefonisch vereinbart. Und er hatte mich gebeten, an der Sitzung bei der Magierin teilzunehmen, damit er sich nicht so allein oder vielleicht einfach nur sicherer fühlte.Nach einem ziemlich vagen Anfang stellt Rosina dann die typischen Fragen: »Glaubst du, dass sie es nicht ernst mit dir meint?«, »War sie in letzter Zeit etwas kühl zu dir?«, »Hast du den Verdacht, dass sie dich betrügt?«, »Gibt es Probleme mit ihren Eltern?«, »Hat sich irgendein neidischer Freund eingemischt?«, »Verbreitet jemand üble Gerüchte über euch?« All diese Fragen, die offenkundig zu einem ganzen Katalog gehören, dienen nur dem einen Zweck, nämlich ein Gespräch aufzubauen. Doch eigentlich beschäftigte sich die Wahrsagerin nur mit einer hinter der großen Kristallkugel verborgenen roten Taste, vielleicht etwas wie eine Klingel. »Glaubst du denn, dass sie einen anderen hat?« – »Nein.« – »Bist du sicher?« Er: »Na ja … ziemlich sicher.« »Ziemlich? … Denn hier in den Karten sehe ich …« Sie schien wirklich gut zu sein, unsere Rosina, aber natürlich tat sie nichts anderes, als seine Zweifel sofort aufzugreifen, bis … ein Mann mit dem exotischen Namen Azar, angeblich ihr Assistent – ganz gewiss ihr Ehemann – in gelber Tunika, weißen Hosen und braunen Pantoffeln plötzlich vier sizilianische, mit Ricotta gefüllte cannoli ins Zimmer bringt!
    »Du wirst schon sehen, dass alles in Ordnung kommen wird … vergiss doch jetzt mal deine Laura!«, raunt die Magierin und starrt heißhungrig auf die unglaublich lecker aussehenden Teigröllchen.
    Ein wirklich magischer Moment, das ist der wahre Zauber Siziliens!

3.
    CERIGNOLA | POLIGNANO A MARE | ALBEROBELLO
    2002
    Das Theaterleben ist faszinierend, unbegreiflich, geheimnisvoll und erregend – das liegt in der Natur der Sache. Nichts könnte das besser verdeutlichen als die Geschichte, die meine Truppe im späten Frühjahr 2002 erlebte.
    Unsere Tournee hatte uns nach Cerignola in Apulien geführt, wo wir mit unserer neuen Produktion zum ersten Mal gastierten. Der Lastwagen mit Bühnenbild und Requisiten war schon am Abend vorher eingetroffen, um Verkehrsstaus zu entgehen. Da es aber zu spät zum Entladen war, wurde er über Nacht auf einem abgeschlossenen Parkplatz abgestellt.
    Die Aufführung zwei Tage zuvor in Alberobello war wunderbar gelaufen. Abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass wir die ganze Zeit den Eindruck hatten, wir wären an einem surrealen Ort gelandet, und uns irgendwie wie im Märchen vorkamen. Die Stadt mit ihren blendend weißen Häusern erinnert an das Dorf der Schlümpfe und hatte uns regelrecht die Sprache verschlagen. Ich kaufte mir sogar einen Führer, um etwas über den Ursprung dieser seltsamen, trulli genannten Gebäude zu erfahren: Die Rundbauten mit der klassischen Kegelform der Dächer ähneln sehr den Wohnbauten primitiver Völker.
    Als wir am nächsten Tag zum Parkplatz in der Nähe des Theaters von Cerignola kamen, erwartete uns eine bittere Überraschung: Der LKW war mitsamt Inhalt verschwunden, hatte sichsozusagen in Luft aufgelöst, und damit war auch unsere Premiere am Abend gefährdet. Bühnenbild, Kostüme, Tontechnik und Beleuchtung, alles war weg.
    Nicht zu Unrecht sagt man, Theater sei ein Traum und dem Verlauf einer Geschichte seien keine Grenzen gesetzt, doch manchmal kann die Phantasie der Wirklichkeit nicht das Wasser reichen.
    Nachdem wir unseren ersten Zorn und die darauffolgende Niedergeschlagenheit überwunden hatten, machten sich alle, von den Bühnentechnikern
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