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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben
Autoren: Bruno Maccallini
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schwülstige Rokokodekadenz, bestand aus einer winzigen Bar mit zwei schmalen Sofas, die mit dem Rücken zur Wand standen, überall waren Spiegel, und es gab ein Podest mit zwei Stangen für Lapdance. An der einen verrenkte sich eine junge Frau mit wasserstoffblonden Haaren, während zwei weitere leicht bekleidete Mädchen einen Striptease hinlegten. Alle drei trugen Stringtangas, bei denen auch das Stoffteil vorne nicht breiter als Zahnseide war, und schwindelnd hohe Stilettos. Auf den Sofas hockten drei fette, sichtlich erregte Gäste, die die Tänzerinnen bei ihrer Darbietung nach Lust und Laune begrapschten. Jessica und Erika, zwei Mädchen aus Rumänien, auch sie 1-a-Playmates, regelten abwechselnd den Verkehr in dem anderen Flur, wo die Zimmer für die Kunden lagen, denen der Sinn nach mehr stand.
    » PING «, das Klingeln des Aufzugs kündigte neue Gäste an.
    Zögernd schauen wir uns an. Was sollen wir tun? Die Situation wirkt schon jetzt reichlich trostlos, und in Anbetracht derspäten Stunde beschließen wir, uns besser nicht an dieser lustlosen Sexnummer zu beteiligen. Deshalb biegen wir um die Ecke in Richtung Hintertreppe und steuern brav unsere Zimmer ein Stockwerk höher an (allerdings kann ich nicht hundertprozentig ausschließen, dass einer meiner Freunde später doch noch einmal dorthin zurückgekehrt ist). Kaum haben wir die Treppe erreicht, hören wir hinter uns ein vertrautes Geräusch, eine Art unterdrücktes Keuchen. Der Nachtportier. Vielleicht hat er kurz nach dem Rechten gesehen, denke ich bei mir. Wir täuschen nonchalante Gleichgültigkeit vor und gehen weiter. Er folgt uns wortlos, doch sein Schritt wird immer schwerer. Wir drehen uns um, um ihm noch einmal eine gute Nacht zu wünschen und zu erklären, dass wir uns im Stockwerk geirrt haben. Er mustert uns mit drohendem Blick. Ein untersetzter Mann, höchstens ein Meter sechzig und ziemlich beleibt, er trägt einige Videokassetten ohne Umschlaghüllen unter dem Arm, außerdem eine Zeitung und ein Päckchen Zigaretten. Auf der dritten Stufe bleibt ihm plötzlich der Atem für zwei endlos wirkende Sekunden weg, dann verdreht er die Augen und stößt einen Seufzer aus, der in einen heftigen Hustenanfall übergeht. Schließlich dreht er sich auf dem Absatz um und geht im selben Trott zurück.
    So gegen drei Uhr morgens schlafe ich endlich ein, auch wenn das Ganze mehr einem apokalyptischen Albtraum gleicht: Mehrere von Kapuzen verborgene Unbekannte umzingeln mich und schleifen mich vor ein Inquisitionstribunal, weil ich eine unverzeihliche Sünde begangen habe. Ich bin so gefangen in diesem Albtraum, dass ich nicht mitbekomme, wie jemand mein Zimmer betritt. Da spüre ich einen Hauch von Treibgas im Gesicht. Doch es ist nicht etwa der unerbittliche Inquisitor Torquemada, sondern wieder der Portier, der versucht, mir mit seiner vom Aerosol verklebten Zunge die schlechte Nachricht beizubringen. Während er vor sich hin röchelt, muss ich erst ein paarmal dieAugen fest zusammenkneifen und wieder öffnen, ehe ich einigermaßen wach bin.
    »Ich versuche schon eine Weile, Sie anzurufen, aber Ihr Telefon ist kaputt.« Schlagartig schrecke ich hoch: »Was ist los? Wie spät ist es?«
    »Ist das Ihr Fiat Panda, der vor dem Tor steht?«
    »Ja, warum?«
    »Dann kommen Sie mal mit und sehen sich an, wie der zugerichtet ist.«
    Immer noch reichlich benommen und im Schlafanzug gehe ich in die Eingangshalle. Dort finde ich meine Freunde vor und auch die beiden Rumäninnen im Nachthemd, die nicht wissen, ob sie lachen oder weinen sollen. Ich brauche nur kurz vor die Tür zu treten, da sehe ich schon mein armes Auto – das ich mir von meinen ersten Ersparnissen gekauft habe – völlig zusammengeschoben und frontal gegen ein Gartentor gedrückt. Mr Aerosol erklärt mir, das sei wahrscheinlich eine ganz normale Abrechnung unter Kriminellen. Bloß dass die wahrscheinlich mein Auto mit einem Wagen verwechselt haben, in dem eine Ladung Kokain versteckt war. Aber es könne auch ein Betrunkener am Steuer gewesen sein, der mit voller Geschwindigkeit in der Kurve ins Schleudern geraten und dann gegen meinen Wagen geprallt war.
    »Der liegt mindestens auf der Intensivstation.«
    »Und was machen wir jetzt?«, stammele ich. Mehr bringe ich nicht heraus.
    Außer mir sind noch zwei meiner Kollegen auf das Auto angewiesen. Wir hatten die Sizilientournee gerade erst begonnen, mussten bis Mittag in Syrakus sein und hatten noch drei Stunden Fahrt vor uns.
    Der Nachtportier
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