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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn
Autoren: Ben Fountain
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Parkplatz gescheucht. Mitsamt dem Brecheisen. »Ich wollte dem gar nichts tun«, gestand er dem Anwalt, »ich wollte den bloß flitzen sehen.« Und dabei hatte er sich so schlapp gelacht, dass ersich kaum auf den Beinen halten konnte, geschweige denn, auf irgendjemanden glaubhaft Jagd machen.
    Der Staatsanwalt war bereit, die schwere Körperverletzung auf bloße Sachbeschädigung herunterzustufen, vorausgesetzt, Billy meldete sich zur Army, und für Billy ging Army voll in Ordnung, Hauptsache, heil aus der Sache rauskommen, jedenfalls besser als Knast und Nacht für Nacht vergewaltigt werden von notgeilen Hünen mit so Namen wie Preacher und Hawg. So war er Soldat geworden, mit achtzehn Jahren, Rekrut in der Infanterie, allerunterster Rang.
    Und deine Schwester, wie geht’s der?, hatte Shroom noch gefragt.
    Besser, hatte Billy gesagt. Angeblich kommt sie wieder auf die Beine.
    Und du bist trotzdem’n Scheißverbrecher, hatte Dime gesagt, aber danach hatten sie ihn nicht mehr so heftig getriezt.

Reine Kopfsache,
aber das können wir heilen
    HOFFENTLICH KOMMT JOSH bald mit Tabletten. Die fünf Jack & Coke hatten Billys Kater verschlimmert, aber seit er nichts mehr getrunken hat, brummt ihm der Schädel erst richtig. Dime steht mit Albert auf dem Gang und erzählt ihm von Shrooms Beerdigung gestern, die eigentlich die würdigste Trauerfeier aller Zeiten werden sollte, ein Tribut an Shrooms Spiritualität mit Lesungen aus dem Tao und Allen Ginsbergs »Wichita Vortex Sutra« und einer Andacht vom Stammesältesten der örtlichen Crow, die aber stattdessen in eine Freakshow ausgeartet war, weil ein Grüppchen christlicher Radikalinskis vor der Kirche Schilder mit Sprüchen wie GOTT HASST EUCH 2. THESS. 1,8 und U.S.-SOLDATEN KOMMEN IN DIE HÖLLE geschwenkt und Sprechchöre über Abtreibung und tote Babys und Gottes Fluch über Amerika skandiert hatten.
    Irre, sagte Albert. Widerlich. Unfassbar.
    »Heh, Albert«, ruft Crack herüber, »das muss unbedingt mit in den Film.«
    Albert schüttelt den Kopf. »Glaubt uns kein Mensch.«
    Ein Goodyear-Zeppelin zieht schwerfällig seine Bahn über ihren Köpfen, störrisch wie ein Segelclipper im Sturm. Auf der Stadionleinwand flimmert eine Hommage an den verstorbenen großen Bob »Bullet« Hayes, um die ganze obere Loge herum zieht sich der »Ring of Honor« mit den Namen und Nummern der Cowboys-Spieler. Staubach. Meredith. Dorsett. Lilly. Keine Frage, hier geht ein Riesending ab, das ist hier heute das größte Sportereignis der Welt, und die Bravos sind hautnah dabei, im aufgeplusterten Mittelteil. In zwei Tagen werden sie zurückverlegt in den Irak und die letzten elf Monate ihrer anderen, sehr langen Tour, aber noch sind sie tief im schützenden Mutterleib, geborgen in allem, was Amerika ausmacht – Football, Thanksgiving, Fernsehen, circa acht verschiedene Polizeien und Sicherheitsfirmen sowie dreihundert Millionen wohlmeinender, zuschauender Landsleute. Oder mit den Worten eines bebenden alten Mannes in Cleveland: »Iaahr SEID Ameeerika.«
    Nach solchen Gefühlsausbrüchen sagt Billy immer Danke und hat keine Ahnung, was die Leute meinen. Jetzt gerade überlegt er allerdings, ob er kotzen soll, damit ihm nicht mehr so übel ist. Er sagt Mango, er geht mal pissen. Mango guckt sich um, ob Dime sie im Blick hat, dann flüstert er: »Kommst du mit’n Bier trinken?«
    Aber hallo.
    Sie nehmen zwei Stufen auf einmal. Ein paar Leute rufen Glückwünsche von den oberen Rängen, Billy winkt zurück, ohne hochzusehen. Er leistet gerade Schwerstarbeit. Er klettert buchstäblich um sein Leben, er muss gegen einen Sog ankämpfen, der vom Vakuum in diesem enormen leeren Stadion kommt und ihn wie eine Unterströmung immer wieder zurückzuzerren versucht. Seit den letzten zwei Wochen geht ihm alles Überdimensionale auf die Nerven – Wassertürme, Wolkenkratzer, Hängebrücken, solche Sachen. Am Washington Monument hatten ihm beimbloßen Vorbeifahren die Knie gezittert, irgendwie schien die Säule eine schrille Totenklage aus dem seelenlosen Himmel zu saugen. Deshalb hält er jetzt stur den Kopf gesenkt, konzentriert sich aufs Vorwärtskommen, und erst oben in der Wandelhalle geht es ihm besser. Die beiden Bravos finden die Klos – Billy kotzt nicht, sondern pinkelt nur –, danach gehen sie zu Papa John’s und holen sich Bier. Eigentlich ist Alkohol in Uniform bei Strafe untersagt, aber was kann die Army schon groß machen, uns in den Irak schicken etwa ? Sie lassen sich das Bier
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