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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn
Autoren: Ben Fountain
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trotzdem in Colabecher füllen. Billy drückt seinen Becher Mango in die Hand und reißt mitten in der Halle erst mal fünfzig Liegestütze runter. Er ist schlaff geworden, und das kann er überhaupt nicht ab. Zwei Wochen nur in Flugzeugen und Autos und Hotelzimmern, keine Zeit zum Trainieren, keine Chance, in Form zu bleiben. Die reinste Verweicheierung der Bravos, diese beiden Wochen, sie werden alle als verkalkte Weicheier wieder in den Krieg ziehen, mit entsprechendem Leistungsabfall.
    Als er wieder steht, hämmert ihm der Kopf, aber sonst geht es ihm besser. »Liegestütze, Bierwegspüler«, sagt Mango.
    »Du hast’s erfasst.«
    »Glaubst du, die verdünnen das Bier hier?«
    »Alter, probier’s einfach.«
    »Angeblich ja nicht, aber man schmeckt’s doch. Schmeckt einfach anders.«
    Billy nickt. »Aber wir trinken’s trotzdem.«
    »Wir trinken’s trotzdem.«
    Sie stellen sich an den Rand, trinken in aller Ruhe und sehen sich die vorbeiströmenden Menschen an. Eine bunt gemischte Menge, erinnert irgendwie an Wanderungsbewegungen in Naturfilmen, so viele verschiedene Körperformen, Altersgruppen, Hautfarben und Einkommensindikatoren, demografisch dominant sind allerdings wohlgenährte Weiße. In deren Namen tutBilly Dienst an der Front, und deshalb zerbricht er sich dauernd den Kopf über sie. Was denken die? Was wollen die? Ist denen eigentlich bewusst, dass sie am Leben sind? Andererseits, muss man unbedingt über lange Zeit höchstpersönlich mit dem Tod konfrontiert gewesen sein, um sein derzeitiges Leben wirklich auszuleben?
    »Was denkst du, an was die gerade denken?«
    Mango zögert, dann zeigt er sein breites Koyotenlächeln. »Ganz was Tiefschürfendes. Gott oder so was. Philosophie. Sinn des Lebens.« Sie lachen. »Quatsch, Alter, guck die dir doch an. Die denken an das Spiel nachher, kriegen ihre Jungs das Ding nach Hause geschaukelt oder nicht. Wo sitzen sie, kriegen sie da bei Regen’n nassen Arsch. Was essen sie, wann ist endlich der nächste Zahltag. Lauter so Zeug.«
    Billy nickt. Das könnte hinkommen. Er hat ja gar nichts dagegen, dass sie an so triviale Dinge denken, es ist nur, nur ... es liegt am Krieg, dass er hier gern ein bisschen mehr sähe als die schlappen Wammen und das dumpfe Glotzen von gut gemästeten Wiederkäuern. Ach, mein Volk, meine amerikanischen Landsleute! Blickt auf die Welt wie ein Prophet! Hier hat praktisch jeder irgendwelche Cowboys-Klamotten am Leib, Parkas und Basecaps mit dem blauen Sternenlogo, Trikots in Übergröße, Hoodies und Schals in Blau und Silber, Ohrgehänge und anderen Vereinsflitterkram, manche haben sich sogar Cowboys-Helmchen auf die Wangen gemalt. Billy findet es rührend, mit welchem Ernst die Leute ihre Vereinsliebe demonstrieren. Die Frauen zeigen deutlich mehr Sinn für den feierlichen Anlass, die Männer dagegen latschen durch die Gegend, die Cowboys-Trikots hängen unten aus dem Sakko, die Hosen schlackern bis über die Stiefelabsätze, wodurch jede vertikale Linienführung fatal verzerrt wird und sie aussehen wie ein Rudel zwölfjähriger Trampel.
    Ach, mein Volk. Die beiden Soldaten trinken ihr Bier aus undgucken zufrieden wie nach wohlgetaner Arbeit. Auf dem Rückweg hält Billy den Blick wieder fest auf die Treppenstufen gerichtet, weg von diesem Nichts, das ihm ständig ans Gesicht grapscht. Diese über allem hängende monströse Hohlheit macht ihn irre, die weite leere Stadionmitte erzeugt ein wahnsinniges Vakuum, alle Schwerkraft scheint nach oben zu drängen, wie bei einer umgekehrten Klospülung, bis hoch zum Dach mit dem riesigen klaffenden Luftloch. Endlich sitzt er wieder auf seinem Platz, schweißgebadet. Ein paar Bravos schreiben SMS, ein paar starren aufs Spielfeld, andere kauen Kaugummi oder spucken Kautabak in Becher. Mango wird leichtsinnig und lässt einen Rülpser vom Stapel, bei dem die Erde bebt. Er hätte ebenso gut Bier! brüllen können, und Dime fährt auch sofort herum wie ein Hai, der Blut wittert.
    »Wo is’n Major Mac?«, fragt Billy geistesgegenwärtig. Ein plumpes Ablenkungsmanöver, aber es funktioniert. Dime guckt stirnrunzelnd nach links und rechts.
    »Wo ist Major Mac?«, blafft er. Die Bravos mutieren kurz zum kollektiven Wackeldackel, dann brechen sie in Gelächter aus. Bruuaahhh! Major Mac ist abgängig!
    »Billy! Mango! Major Mac suchen.«
    Noch einmal die Treppe hoch, Billy wieder mit eingezogenen Schultern gegen den ganzen grauenhaften Raum. Dieses Stadion ist gigantisch. Und deformiert. Es ist
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