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Die Invasoren von Ganymed

Die Invasoren von Ganymed

Titel: Die Invasoren von Ganymed
Autoren: Philip K. Dick , Ray Nelson
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du als schmutzig und sündig ansiehst, über die man nicht einmal spricht, und daher schleppst du eine ständige Schuld mit dir herum. Du bist ein Ekel, Gus; für mich und für einen jeden – und am meisten für dich selbst. Du kannst niemals König werden, GUS; du hast einen mächtigen Feind, der alles sabotieren wird, was du unternimmst, was du versuchst, Schritt um Schritt. Wenn du etwas aufbaust, wird er es niederreißen.«
     »Wer?« rief Gus, vom Entsetzen gepackt. »Wer wird mir das antun?«
    »Ich«, sagte die Stimme. Und dann klickte es im Hörer.
     Gus löste sich mit innerer Unruhe von dem stummen Videophon, hörte das Gelächter aus der Vorhalle; einen Augenblick erschien es ihm, als lachten all diese fröhlichen Leute über ihn. Aber das war natürlich unmöglich.
      Irgendwo so ein Verrückter, dachte er zitternd. Ich sollte es lieber vergessen. Aber die Worte aus dem Videophon waren in ihn eingedrungen wie ein brennendes Messer, und jetzt gingen sie ihm nach. Sosehr er es auch versuchte, er konnte sie nicht vergessen.
      Ich habe zu arbeiten, sagte er zu sich selbst. Und stahl sich in seinen Raum zurück, um seine kommende Fernsehansprache zu schreiben – und die restliche Flasche Cutty Sark zu leeren.
     Joan saß schweigend im Wartezimmer, als Paul Rivers aus dem Behandlungsraum des Arztes zurückkam, beide Hände bandagiert und alle Finger in organischen Schienen. »Du hättest nicht zu warten brauchen«, sagte er zu ihr. »Ich komme schon allein zurecht.« Dennoch, dachte er, bin ich froh, daß du gewartet hast. Tatsächlich kam er nicht allein zurecht – und das würde auch noch eine Weile so bleiben.
    Und sie wußten es beide.
    Joan öffnete ihm die Tür und begleitete ihn in den Korridor hinaus. Er begriff, daß sie sein Hinken bemerkt hatte, und versuchte so natürlich wie möglich zu gehen. Ich möchte nicht, daß sie Mitleid mit mir hat… aber das ist natürlich unsinnig; sie empfindet nichts für mich, wie auch immer. Es gehört zu ihrer Konditionierung, daß sie gegenüber so etwas gleichgültig ist.
     Dennoch hatte sie sich die Mühe gemacht, seinen bewußtlosen Körper in den Ionoschweber zu ziehen, hatte ihm Erste Hilfe zuteil werden lassen und ihn nach hier zum Arzt gebracht. Sie hatte ihn nicht einfach in der Höhle liegen und damit dem Tod überlassen, was sie ohne weiteres hätte tun können.
     Als sie in den Lift traten, sagte Joan zögernd: »Paul, ich…« Weiter sprach sie nicht. Die Tür des Lifts glitt zu, und sie fuhren schweigend abwärts. Endlich fügte sie hinzu: »Es war so seltsam für mich, da oben in den Bergen. Das Gefühl, du zu sein. Und dennoch, in anderer Hinsicht war es gar nicht so seltsam für mich, du zu sein. Als wäre ein Teil von mir – so habe ich das empfunden –, wäre ein Teil von mir immer du gewesen.«
     Die Lifttür öffnete sich wieder und ermöglichte es ihnen, hinauszutreten in die Eingangszelle des Gebäudes. »Ich habe in bezug auf dich das gleiche empfunden«, sagte Paul, »als ich ein Teil von dir wurde.« Sie traten aus dem Lift und suchten sich ihren Weg durch die Menge von durcheinanderlaufenden, rufenden, glücklichen Leuten, von denen einige sie dann und wann ergriffen und umarmten. Paul wehrte sich nicht dagegen, obwohl es seiner Verletzungen wegen mitunter schmerzhaft für ihn wurde. Nahe dem vorderen Eingang verlief sich die Menge, und Joan und er konnten sich wieder gegenseitig vernehmen.
     »In einer Hinsicht war es ein gutes Gefühl«, sagte Joan, »du zu sein. Ein wirkliches, lebendes, fühlendes, sich sorgendes menschliches Wesen. Jetzt ist es natürlich zu spät für mich.«
     Paul hielt an und musterte sie intensiv; ihre Augen waren feucht geworden, und die abendlichen Lichter brachten sie zum Glänzen. Das muß eine Halluzination sein, dachte er erstaunt. Eine weinende Joan Hiashi? Unmöglich.
    »Ich habe ein Problem«, sagte Joan gedankenvoll; sie sah ihn dabei nicht an. »Ich habe nichts und ich möchte nichts; ich habe den Zustand erreicht, nach dem heilige Männer Jahrhunderte lang strebten, und jetzt – möchte ich daraus heraus.«
     »Joan«, sagte er mit einer Anspannung, die er nicht verbergen konnte, »siehst du nicht den Widerspruch in dem, was du eben gesagt hast? Du möchtest etwas.«
     »Etwas, was ich niemals haben kann.« Ihre Stimme klang hoffnungslos.
     »Das stimmt nicht.« Er berührte mit seiner bandagierten rechten Hand sanft ihre Schulter. »Daß du in die Welt der geteilten Wirklichkeit
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