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Die Inspiration zu THE LEGION - RED RUN

Die Inspiration zu THE LEGION - RED RUN

Titel: Die Inspiration zu THE LEGION - RED RUN
Autoren: Kami Garcia
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abends unterwegs war: Nimm immer dein Handy mit, lauf niemals alleine im Dunkeln rum, halte dich in gut beleuchteten Bereichen auf – und ihr persönlicher Favorit: erst schreien, dann Fragen stellen. Heute Abend hatte ich jede einzelne dieser Regeln missachtet.
    » Auf dem alten Jesuitenfriedhof? « Meine Antwort klang eher wie eine Frage. Als fragte ich mich, wie groß genau das Donnerwetter ausfallen würde.
    Meine Mom erstarrte und sog scharf die Luft ein. » Ich würde nie und nimmer nachts einen Friedhof betreten « , erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen, als hätte sie diesen Satz schon tausendmal gesagt. War aber nicht so.
    » Auf einmal so abergläubisch? «
    Sie schüttelte den Kopf und sah weg. » Natürlich nicht. Man muss nicht abergläubisch sein, um zu wissen, dass abgeschiedene Orte nachts gefährlich sind. «
    Ich wartete auf den Vortrag.
    Stattdessen drückte sie mir ein feuchtes Tuch in die Hand. » Mach dir die Füße sauber und wirf es dann weg. Ich will keinen Dreck von einem Friedhof in meiner Waschmaschine. «
    Mom wühlte in der Krimskramsschublade herum, bis sie ein riesiges Pflaster zutage förderte, das wie ein Überbleibsel aus meinen Dreiradtagen aussah.
    » Mit wem hast du telefoniert? « , fragte ich, um das Thema zu wechseln.
    » Nur jemand aus der Arbeit. «
    » Hat dieser Jemand dich gefragt, ob du mit ihm ausgehen willst? «
    Mit gerunzelter Stirn konzentrierte sie sich auf meinen Arm. » Ich habe kein Interesse an einer Verabredung. Ein gebrochenes Herz reicht mir völlig. « Sie biss sich auf die Lippe. » Damit habe ich nicht gemeint – «
    » Ich weiß, was du gemeint hast. « Meine Mom hatte sich eine gefühlte Ewigkeit in den Schlaf geweint, als mein Dad uns verlassen hatte. Und manchmal hörte ich sie noch immer.
    Nachdem sie meinen Arm bandagiert hatte, setzte ich mich auf die Arbeitsplatte, während sie die Marinara-Soße vollendete, die für morgen auf dem Speiseplan stand. Ihr beim Kochen zuzusehen hatte etwas Beruhigendes. Dadurch rückte der Friedhof gleich in noch weitere Ferne.
    Sie tauchte den Finger in den Topf und probierte die Soße, ehe sie die Pfanne vom Herd nahm.
    » Du hast die Chiliflocken vergessen, Mom. «
    » Stimmt. « Sie schüttelte den Kopf und gab ein gezwungenes Lachen von sich.
    Meine Mom hätte sich selbst vor einem Jamie Oliver nicht verstecken müssen und Marinara-Soße war ihre Spezialität. Eher vergaß sie ihren eigenen Namen als die geheime Zutat. Fast hätte ich ihr das auch unter die Nase gerieben, doch ich hatte ein schlechtes Gewissen. Vielleicht sah sie mich gerade vor sich – in einer dieser Fernsehsendungen über ungelöste Verbrechen.
    Ich hüpfte von der Arbeitsplatte. » Ich gehe rauf zum Zeichnen. «
    Gedankenverloren starrte sie aus dem Küchenfenster. » Mmm … das ist eine gute Idee. Da fühlst du dich bestimmt gleich besser. «
    Um genau zu sein, machte das Zeichnen, dass ich gar nichts fühlte.
    Das war der Punkt.
    Solange meine Hand sich über das Blatt bewegte, waren meine Probleme wie vom Erdboden verschluckt, und ich war eine Weile wo anders oder jemand anders. Meine Bilder zeigten eine Welt, die nur ich sehen konnte – ein Junge, der seine Albträume in einem Sack mit sich herumschleppte, während Stücke und Brocken davon hinter ihm herausfielen. Oder ein Mann ohne Mund, der im Dunkeln auf die Tastatur einer kaputten Schreibmasche einhämmerte.
    Wie das Bild, an dem ich jetzt arbeitete.
    Ich stellte mich vor meine Staffelei und betrachtete das Mädchen, das zusammengekauert auf einem Dach hockte und den einen Fuß versuchsweise über die Kante streckte. Mit angstverzerrtem Gesicht starrte sie zum Boden hinunter. Zarte dunkelblaue Schwalbenflügel wuchsen aus ihrem Rücken wie die Äste eines Baumes, und dort, wo sie sich durch ihr Kleid gebohrt hatten, war der Stoff zerfetzt.
    Ich hatte mal gelesen, dass es Glück bringt, wenn eine Schwalbe ihr Nest im Dach baut. Aber wenn sie das Nest aufgibt, dann hat man nichts als Pech. Wie so vieles konnte der Vogel ein Segen oder ein Fluch sein, eine Tatsche, der sich das Mädchen mit den Schwalbenflügeln sehr wohl bewusst war.
    Als ich mich wenig später schlafen legte, waren meine Gedanken noch immer bei ihr. Und ich fragte mich, wie es wohl wäre, Flügel zu haben und doch zu viel Angst vor dem Fliegen.
    Am nächsten Morgen wachte ich völlig gerädert auf. Im Traum war ich von schlafwandelnden Mädchen heimgesucht worden, die auf Friedhöfen herumschwebten.
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