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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin
Autoren: Sandra Lüpkes
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vom Flugsand bedeckt.
    Die Befestigungen nahmen außerdem den Sturmfluten den Schrecken. Seit Jahren hatte es keine nennenswerten Schäden oder Todesopfer gegeben. Längst schon war seine Mutter damit beschäftigt, an einer anderen Stelle Buhnen zu errichten. Die Insulaner liebten und hassten sie dafür gleichermaßen. Die Regierung belohnte ihre Arbeit mit Anerkennung und einer Besoldung, die der eines Inselvogtes in nichts nachstand. Unter der Herrschaft des Preußenkönigs war es aufwärtsgegangen in Ostfriesland, das wusste Jan. Juist verfügte mittlerweile über einen eigenen Handelshafen, verschiffte die Waren der Insel bis nach England und Dänemark, woran auch die Juister Schiffer gut verdienten.
    Es war herrlich, hier zu leben. Jan fühlte sich reich und zufrieden.
    Im schnellsten Galopp ritt er auf die Buhnen zu, zog die Zügel im richtigen Moment stramm, verlagerte sein Gewicht im Sattel und nahm die Hindernisse wie im Flug. Auch dem Hengst schien dieses Spiel Spaß zu machen. Jan hatte den Eindruck, das Tier wäre am liebsten noch einmal umgekehrt, um immer und immer wieder zu springen. Doch er musste sich beeilen. Seine Familie wartete am Esstisch.
    Aber noch lag der Hammrich vor ihm. Die Hufe des Friesen versanken im weichen Sand. Der Schatten, den die tief stehende Sonne von Reiter und Pferd auf den Strand warf, war länglich verzogen, und Jan musste lachen über die Figur, die er abgab. Da fiel sein Blick auf ein paar Halme im Sand. Dünn und hellgrün wehten sie im seichten Frühlingswind. Es war Strandhafer, daran bestand kein Zweifel. Er musste sich in den Wintermonaten hier verwurzelt haben und hatte sich allem Anschein nach halten können. Und wo ein paar Büschel Halt fanden, da würden auch noch mehr wachsen. Jan wusste, welche Bedeutung dies für seine Mutter hatte. Oft war ihr dieser Wunsch über die Lippen gekommen. Aber er wusste, sie rechnete nicht damit, dass er je in Erfüllung gehen würde.
    Jan ließ seinen Hengst wieder in Galopp fallen. Er freute sich, ihr gleich davon berichten zu können. Egal, was seine Mutter ihm heute so Wichtiges erzählen wollte, es würde warten müssen. Was konnte schon wichtiger sein als dieses Wunder?
    Denn Jan wusste nun, der Hammrich, die Wunde der Insel, begann sich allmählich wieder zu schließen.

ANMERKUNGEN UND
    HISTORISCHE PERSONEN
    Dieser Roman erzählt die fiktive Geschichte der Maikea Boyunga vor einem historischen Hintergrund. Einige Personen und Begebenheiten hat es tatsächlich so gegeben, doch vieles ist auch frei erfunden – so gibt es beispielsweise keine Belege dafür, dass es auf Juist einmal Buhnen gegeben hat. Damit die Leser das eine vom anderen unterscheiden können, sind hier in alphabetischer Reihenfolge einige Anmerkungen zu den im Roman kursiv gedruckten Begriffen und Personen zu finden.
     
    Begriffe und Orte
     
    ARSENIKUM    Arsenhaltige Medikamente wurden als Heilmittel gegen Lungenleiden, z. B. Tuberkulose, verordnet. In geringen Dosen wirkte das Arsenikum nicht giftig, doch bei längerer Anwendung oder Überdosierung konnte es zu Schmerzen, Haarausfall, Hautentzündungen und zum Tod führen. Eine schleichende Arsenvergiftung ließ sich damals jedoch nicht nachweisen.
     
    BILL    Der Name des Westteils von Juist ist vermutlich dem friesischen Wort »Bille« mit der Bedeutung »Gesäßbacke« entlehnt. Aus diesem Grund heißt es auch auf (oder an) der Bill, nicht in Bill. An dieser Stelle stand die allererste Siedlung der Insel, bis zur Petriflut sogar auch noch ein gewaltiger Kirchturm, der gleichzeitig als Seezeichen diente. Doch im 18. Jahrhundert mussten die Insulaner ihre Häuser dort aufgeben, da die Strömungen des Meeres – insbesondere bei Sturmfluten – die Dünen im Westen stark angriffen oder sogar zerstörten. Fundamente und Fragmente von Brunnen kann man auch heute noch bei extremem Niedrigwasser an der Strandseite ausmachen.
     
    BUHNEN    Ein im rechten Winkel zum Ufer angelegtes Bauwerk aus Pfählen, später auch aus Stein und Beton, das den Zweck hatte, die Wellen zu brechen und die parallelen Strömungen vom Strand fernzuhalten. Durch Sandablagerungen dienten die Buhnen langfristig auch der Landgewinnung.
     
    CIRKSENA    Eine aus einem alten Greetsieler Geschlecht hervorgegangene ostfriesische Häuptlingsfamilie (Standesbezeichnung für wohlhabende, einflussreiche Familien), die das Land von 1439 bis 1744 regierte, zuerst als Grafen, sie wurden 1654 vom Kaiser in den Fürstenstand
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