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Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Titel: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)
Autoren: Wassili Golowanow
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Armee und Geologen allerlei Gerät zurückgelassen haben.
    Der Viehbestand der beiden Sowchoseherden betrug zum 1. August 1994 7156 Stück, der private 1403.
    Geweidet werden die Herden im Inselinnern: Die eine zieht im Umkreis des Oberlaufs der Bugrjanka und des Kriwoje-Sees umher, die andere östlicher, in dem Gebiet zwischen Bugrjanka und Pestschanka.
    Schlachtung und Fleischablieferung finden im November statt, im Juni und September werden die Tiere gezählt, im Herbst auch gegen Bremsen geimpft.
    Der Großteil der Rene in Privatbesitz gehört den wenigen Familien, die traditionell Rentierhaltung betrieben. Als wohlhabend gilt, wer mehr als hundert Tiere besitzt.
    Früher einmal wurden auf Kolgujew bis zu 20.000 Rene gehalten, wobei die Herden in periodischen Abständen durch eine Vereisung der Insel stark dezimiert wurden. Ein so hoher Viehbestand ist heute nicht mehr erreichbar, da ein bedeutender Teil der Weideplätze von den Geologen in Beschlag genommen wurde.
    Handwerkliche Produktion findet nicht statt – und wo sollte man die Erzeugnisse auch absetzen? Die einzigen regelmäßigen Besucher der Insel sind die Seeleute von den Tankern und Frachtschiffen, die den Nördlichen Seeweg nehmen. Sie tauschen das eine oder andere (Lachs, Rentierfelle, Stiefeloberleder usw.) bei der örtlichen Bevölkerung ein – gegen Wodka. Wer sich auf diese Währung nicht einlässt, geht normalerweise leer aus: Wenn überhaupt mit Geld bezahlt wird, dann zu einem lächerlich niedrigen Kurs.
Die Bevölkerung
.
    Am 1. August 1994 lebten 427 Personen in Bugrino. Die meisten sind Nenzen und überwiegend auf Kolgujew geboren. Eine kleine Gruppe sind Nachkommen der Zwangsumgesiedelten von Nowaja Semlja; von Ausnahmen abgesehen haben sie sich am schlechtesten an die modernen Lebensverhältnisse angepasst. Russen gibt es wenige auf der Insel, 5 oder 6, die überwiegend in der Verwaltung tätig sind. Beziehungen zwischen indigenen Nenzinnen und Zugereisten, von Russen bis Aserbaidschanern, gibt es von jeher.
    Laut kommunaler Statistik untergliedert sich die Bevölkerung in folgende »Kategorien«:
    Familien insgesamt: 95
    Kinder im schulpflichtigen Alter: 111
    Davon während der Wintermonate im Internat von Narjan-Mar: 60
    Schüler der Förderschule für geistig Behinderte: 2
    Hochschul- und Technikumstudenten: 10
    Rentner: 54
    Kindergartenkinder: 54
    »Verwaltungsbeschäftigte« (inkl. Kindergarten, Schule, Feldscher- und Hebammenpunkt u.ä.): 52
    Sowchosearbeiter insgesamt: 90
    Davon Renhirten: 15
    Tschumarbeiterinnen 68 : 7
    In der »Pelznäherei« Beschäftigte: 15
    Maschinenspezialisten (Geländefahrzeugfahrer, Traktoristen, Dieselmaschinisten): 15
    Schreiner, Hilfsarbeiter: 38
    Arbeitslose: 21
    Davon Arbeitslosengeld-Bezieher: 5
    Im August 1994 betrug der Monatslohn eines Hilfsarbeiters der Sowchose 50.000 Rubel (25 Dollar), der eines Traktoristen oder Geländefahrzeugfahrers 150.000 Rubel – bei Lebensmittelpreisen, die 2,5 bis 3-mal höher liegen als in Moskau. Deshalb gehen die Leute neben der Arbeit auf Jagd, zum Fischen, zum Pilze- und Beerensammeln.
    Zugleich gibt es unter den Kolgujewern keinen professionellen Jäger. Einen Jagdschein zu beantragen reizt bei all den damit verbundenen Formalitäten niemanden. Dies umso weniger, als es auf der Insel weder eine Jagdinspektion noch eine Miliz gibt und man für jedes offizielle Dokument nach Narjan-Mar fliegen muss. Zudem scheinen sich echte jagdhandwerkliche Kenntnisse verloren zu haben – zumindest werden überwiegend nur Gänse bejagt. Sie werden während des Zugs geschossen oder in der Mauser gefangen.
    In einigen Familien bilden die Mausertiere die Hauptnahrungsquelle neben Tee, Zucker und Brot. Die »Nowaja-Semlja-Nenzen« erlegen auch Enten und Taucher, deren Fleisch die »Urkolgujewer« für ungenießbar halten.
    In den Flüssen nahe Bugrino werden von einigen Dörflern auch Plattfische und Lachse gefangen, aber die Ausbeute ist bescheiden. Echte »Selbstversorger« sind nur wenige Familien, sechs oder sieben. Sie salzen für den Winter bis zu 70 Gänse ein. Von ihnen und den wenigen wirklich Arbeitenden abgesehen, leben alle anderen am Rande des Hungers.
    Hunde gibt es viele auf der Insel, 3-4 in jedem Haus, aber die meisten sind nicht reinrassig, und offenbar taugen nur wenige für die Jagd.
    Auf dem Strand liegen rund zwei Dutzend Motorboote, mit denen die Dorfbewohner jene südöstlichen Küstenabschnitte befahren, die durch die »Koschki«, die schmalen
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