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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes
Autoren: Beatrix Mannel
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wenn er es sofort unterdrückt hatte. Es gefiel ihm, dass sie vor ihm im Dreck lag.
    Sie verkniff sich jeden Laut und beeilte sich mit dem Aufstehen, der Zorn erleichterte es ihr.
    Er reichte ihr nicht die Hand und wartete, bis sie schwer atmend wieder vor ihm stand. »Salondamen wie Sie sollten der ganzen Welt einen Gefallen tun und zu Hause bleiben, um dort ihren Freundinnen Nachmittagstee mit Sahne in Silberkännchen zu servieren.«
    »Und Rüpel wie Sie sollten ihre Jagdhunde tätscheln, ihre Pferde peitschen und Füchse zu Tode quälen. Unvorstellbar, dass Sie wirklich Arzt sind!« Was für ein unangenehmer Mensch, dachte Paula und sehnte sich nach dem Tag, an dem ihre Wege sich wieder trennen würden.
    »Touché!« Villeneuve zuckte nur lässig mit den Schultern, was Paula noch mehr ärgerte. »In Kürze wird es dunkel, vorher sollten wir an unserem Lagerplatz ankommen.«
    Das stimmte leider und war natürlich erst recht ein Grund mehr für Paula, sich über ihn aufzuregen. Männer wie er sollten nicht auch noch recht haben.
    »Dann gehen wir doch endlich weiter.«
    »Mit Ihrem Gehumpel schaffen wir es niemals vor Ein bruch der Nacht. Ich werde Sie tragen, dann sind wir schnel ler.« Bevor Paula sich dagegen verwehren konnte, hatte er sie schon gepackt und über die Schulter geworfen, wie eine alte Teppichrolle.
    Paula war zu verdutzt, um zu protestieren, und als sie über seiner Schulter lag, erschien es ihr reichlich kindisch, jetzt noch zu zappeln wie ein Fisch auf dem Trockenen, auch wenn sie alles getan hätte, um dieser entwürdigenden Lage zu entkommen. Sie schnappte nach den Riemen von Wasserflasche und Ledertasche, damit sie nicht im Morast schleiften.
    Immerhin, und dieser Gedanke entlockte ihr ein Lächeln, würde sein Kakihemd nachher voller Schlamm sein. Er schritt zügig aus, gewiss wollte er sich, so schnell es möglich war, von seiner Last befreien. Schade, dass ich nicht schwerer bin, dachte sie, während sie versuchte, sich nicht von seinem Geruch irritieren zu lassen. Aber das war fast unmöglich, zum einen, weil er sie so fest gepackt hatte, dass ihr Kopf fast auf seiner harten Taille auflag, und zum anderen, weil ihre Nase darauf geschult war, Gerüche zu erkennen und zu klassifizieren.
    Seiner Haut entströmte neben dem frischen, leicht moschusartigen Schweiß eine Mischung aus etwas Krautigem, in der Art von Wacholderbeeren, und eine Spur Würzig-harmonisches, was sie an indische Zimtrinde erinnerte. Sie versuchte sich zu konzentrieren, denn das war noch nicht alles, zwischen diesen Nuancen versteckte sich auch noch etwas Harziges – könnte Zirbelkiefer sein, dachte sie und inhalierte noch eine Nase voll. Nein, da war noch ein nussiger Unterton, das ging eher in Richtung Zypresse. Natür lich war er nicht der Mann, der ein Parfüm benutzte, nie und nimmer. Erstaunlich, dachte sie, ich selbst rieche nur noch nach Schlamm und Schweiß, und allenfalls kann man noch einen winzigen Hauch von meinem Eau de Toilette riechen. Es war eine Variation von Kölnisch Wasser, die aus dem Buch ihrer Großmutter stammte und angenehm erfrischend war und in dieser feuchten Hitze kühlend auf ihr Gemüt wirkte.
    Er räusperte sich. »Madame Kellermann, Sie sind mir unheimlich, wenn Sie schweigen. Erhellen Sie mich mit Ihren Gedanken!«
    »Sie haben mich nicht um Erlaubnis gefragt, bevor Sie mich in diese entwürdigende Lage gebracht haben. Ich spre che nicht gern mit herabhängendem Kopf. Vor allem nicht, wenn auch noch mein Tropenhelm darauf drückt.«
    Abrupt stellte er sie zurück auf die Erde. »Dann schinden Sie eben Ihren Fuß. Wir haben ja nur noch etwa eine halbe Stunde Marsch vor uns.«
    Er ging sofort weiter, und Paula humpelte hinter ihm her und hasste ihn dafür, dass er sich ständig so rüpelhaft verhielt. Sie wünschte sich sehnlichst, man hätte den Norweger nach ihr ausgeschickt, der ihr gegenüber niemals so einen Ton angeschlagen hätte. Doch dann ermahnte sie sich. Du wolltest in dieses Land, Paula. Alle haben dich gewarnt und versucht davon abzuhalten, weil Madagaskar kein Land für eine junge deutsche Frau sei. Ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. Über die Ehe hatte niemand etwas Derartiges gesagt. Nein, die Ehe war für junge Damen angemessen und höchst erstrebenswert. Ein bitterer Geschmack begann sich in Paulas Mund auszubreiten. Nicht die kleinsten Bedenken hatte ihre Mutter dabei gehabt, ihre siebzehnjährige Tochter mit dem dreimal so alten Baron Eduard von
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