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Die Insel des Dr. Moreau

Die Insel des Dr. Moreau

Titel: Die Insel des Dr. Moreau
Autoren: H. G. Wells
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Pakete aufzutürmen. Das Lama und die Kaninchenställe waren noch im Boot, die Hetzhunde noch an die Ruderbänke gefesselt. Als der Haufen vollständig war, faßten alle drei an dem Karren an und begannen, die tonnenschwere Last bergan zu schieben. Dann verließ Montgomery sie, kam zu mir zurück und hielt mir die Hand hin.
    »Ich für meinen Teil«, sagte er, »bin froh. Der Kapitän war ein Esel. Der hätte Ihnen die Hölle heiß gemacht.«
    »Sie«, sagte ich, »haben mich zum zweitenmal gerettet.«
    »Das kommt darauf an. Sie werden auf dieser Insel noch Augen machen, das verspreche ich Ihnen. Ich würde gut aufpassen, wohin ich ginge, wenn ich Sie wäre. Er ...« Er zögerte und schien doch nicht aussprechen zu wollen, was ihm auf den Lippen lag. »Könnten Sie mir mit diesen Kaninchen helfen?« fragte er.
    Was er mit den Kaninchen tat, war sonderbar. Ich watete mit ihm ins Wasser und half ihm, einen von den Käfigen an Land zu ziehen. Kaum war das geschehen, so öffnete er die Tür, kippte den Behälter und schüttete dessen lebenden Inhalt auf den Boden. Die Tiere fielen in einem wirren Haufen eins übers andere. Er klatschte in die Hände, und sofort sprangen sie, vielleicht zwanzig oder dreißig, den Strand hinauf davon. »Wachst und mehrt euch, meine Freunde«, sagte Montgomery. »Füllt die Insel. Bislang haben wir hier ein wenig Mangel an Fleisch gehabt.«
    Während ich die Kaninchen verschwinden sah, kehrte der Weißhaarige mit einer Brandy-Flasche und etwas Zwieback zurück. »Für den ersten Hunger, Prendick«, sagte er in weit vertraulicherem Ton als vorher.
    Ich machte keine Umstände, sondern fiel sofort über den Zwieback her, während der Weißhaarige Montgomery noch etwa weitere zwanzig Kaninchen befreien half. Drei große Käfige jedoch folgten dem Puma zum Haus hinauf. Den Brandy rührte ich nicht an, denn ich bin seit meiner Geburt Abstinenzler gewesen.

7
    Die verschlossene
    Tür

    Der Leser wird vielleicht verstehen, daß ich zunächst nicht erkannte, wie seltsam dies und jenes in meiner Umgebung war, da ich selbst soviel Merkwürdiges erlebt hatte und meine Lage das Ergebnis so unerwarteter Abenteuer war. Ich folgte dem Lama den Strand hinauf, und Montgomery kam mir nach und bat mich, nicht die Steinumfriedung zu betreten. Ich bemerkte nun, daß der Puma in seinem Käfig und die Pakete außerhalb des Eingangs zu diesem Viereck abgesetzt worden waren.
    Ich wandte mich um und sah, daß das Langboot jetzt leer war und wieder hinausgestoßen und dann auf den Strand gezogen wurde; der Weißhaarige kam auf uns zu. Er redete Montgomery an.
    »Und jetzt kommt das Problem: der ungebetene Gast. Was wollen wir mit ihm anfangen?«
    »Er versteht etwas von der Naturwissenschaft«, sagte Montgomery.
    »Mich juckt’s, wieder an die Arbeit zu gehen - mit all dem Nachschub«, sagte der Weißhaarige und nickte zur Steinmauer hin. Seine Augen leuchteten auf.
    »Das kann ich mir denken«, erklärte Montgomery in einem Tone, der alles andere als herzlich war.
    »Wir können ihn nicht da hinüberschicken, und wir haben nicht die Zeit, eine neue Hütte zu bauen. Und auf keinen Fall können wir ihn jetzt schon ins Vertrauen ziehen.«
    »Ich bin in Ihrer Hand«, sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, was er mit »da hinüber« meinte.
    »Ich habe an das gleiche gedacht«, antwortete Montgomery. »Wir hätten mein Zimmer mit der Tür nach außen ...«
    »Natürlich«, sagte der ältere Mann sofort, sah Montgomery an, und wir alle gingen auf die Ummauerung zu. »Es tut mir leid, daß ich Geheimnisse machen muß, Mr. Prendick - aber Sie müssen bedenken, daß Sie ungeladen kamen. Unsere kleine Niederlassung enthält ein Geheimnis, eine Art Blaubart-Zimmer. Eigentlich nichts Schlimmes - für einen vernünftigen Mann. Aber momentan - wir kennen Sie nicht ...«
    »Selbstverständlich«, sagte ich, »ich wäre ein Narr, wollte ich an einem Mangel an Vertrauen Anstoß nehmen.«
    Er verzog seinen schweren Mund zu einem schwachen Lächeln - er gehörte zu jenen trägen Menschen, die mit niedergezogenen Mundwinkeln lächeln - und verbeugte sich. Am Haupteingang zur Ummauerung gingen wir vorüber - ein schweres Holztor in eisernem Rahmen, das verschlossen war. Die Ladung des Langboots lag davor aufgehäuft, und an der Ecke befand sich eine kleine Tür, die ich vorher nicht bemerkt hatte. Der Weißhaarige zog einen Schlüsselbund aus der Tasche seines schmierigen blauen Jacketts, öffnete diese Tür und trat ein. Die vielen
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