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Die Insel des Dr. Moreau

Die Insel des Dr. Moreau

Titel: Die Insel des Dr. Moreau
Autoren: H. G. Wells
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Tieren und Kannibalen und noch Schlimmerem zur Verfügung. Über Bord gehen Sie, Mr. Beendigt. Wenn die Sie nicht haben wollen, dann saufen Sie eben ab. Aber Sie gehen! Mit Ihren Freunden. Ich bin mit dieser Satansinsel für alle Ewigkeit fertig, amen! Ich hab’ genug davon.«
    »Aber Montgomery«, wandte ich mich um.
    Er biß sich auf die Unterlippe und wies resigniert mit dem Kopf auf den weißhaarigen Mann neben sich, um seine Ohnmacht anzudeuten.
    »Für Sie werde ich gleich sorgen«, sagte der Kapitän.
    Dann begann ein merkwürdiger Streit im Dreieck. Abwechselnd wandte ich mich vom einen zum andern, erst an den Weißhaarigen, er möge mich an Land lassen, und dann an den Kapitän, er solle mich an Bord behalten. Ich schrie selbst den Matrosen Bitten zu. Montgomery sagte kein Wort; er schüttelte nur den Kopf. »Sie gehen über Bord, das sag’ ich Ihnen«, war der Refrain des Kapitäns. »Zum Henker mit dem Gesetz! Hier bin ich König.«
    Schließlich, muß ich gestehen, brach mir die Stimme mitten in einem furchtbaren Fluch. Ein Anfall verzweifelter Wut schüttelte mich, und ich ging nach hinten, wo ich finster ins Nichts starrte.
    Inzwischen kamen die Matrosen mit der Arbeit des Ausschiffens von Gepäck und Käfigen schnell vorwärts. Ein großes Langboot lag an der Leeseite des Schoners, und dahinein wurde die merkwürdige Sammlung von Gütern befördert. Noch sah ich die Hilfskräfte von der Insel, die das Gepäck in Empfang nahmen, nicht, denn der Rumpf des Bootes war mir durch den Schiffsbauch verborgen.
    Weder Montgomery noch sein Gefährte nahmen die geringste Notiz von mir, sondern sie halfen den vier oder fünf Matrosen, die Ladung zu löschen, und gaben Anweisungen. Der Kapitän ging nach vorn und störte mehr, als daß er half. Ich war abwechselnd verzweifelt und zu allem entschlossen. Ein- oder zweimal konnte ich, als ich so dastand und wartete, dem Impuls nicht widerstehen, über meine ausweglose Situation zu lachen. Ich fühlte mich um so elender, als ich kein Frühstück gegessen hatte. Hunger und Mangel an Blutkörperchen nehmen einem Mann alle Mannheit. Ich merkte ziemlich klar, daß ich nicht Kraft genug hatte - weder um mich zu widersetzen, wenn der Kapitän mich wirklich vertreiben wollte, noch um mich Montgomery und seinem Gefährten aufzudrängen. So wartete ich untätig auf das Schicksal, und die Arbeit des Ausladens von Montgomerys Besitz in das Boot ging weiter, wie wenn ich nicht vorhanden gewesen wäre.
    Endlich war man damit fertig, und ich wurde gegen meinen - allerdings nur schwachen - Widerstand zum Fallreep geschleppt. Da bemerkte ich das seltsame Aussehen der braunen Gesichter der Leute, die bei Montgomery im Boote waren. Aber das Boot war jetzt vollgeladen und wurde eilig abgestoßen. Ein breiter werdender Spalt grünen Wassers erschien unter mir, und ich drängte mit aller Kraft rückwärts, um nicht kopfüber hinunterzustürzen.
    Die Leute im Boot stießen spöttische Rufe aus, und ich hörte Montgomery auf sie fluchen. Und dann schob der Kapitän mich mit Hilfe des Maats und eines der Matrosen nach hinten zum Heck. Dort war das Rettungsboot der Lady Vain angebunden; es war voll Wasser, hatte keine Ruder und war ganz ohne Vorräte. Ich weigerte mich, hinunterzusteigen, und warf mich in meiner ganzen Länge aufs Deck. Schließlich schwangen sie mich an einem Strick hinunter - denn sie hatten keine Leiter - und schnitten mich los.
    Ich trieb langsam vom Schoner weg. Wie gelähmt beobachtete ich, wie sich alle Hände an die Takelage legten, und langsam, aber sicher drehte sich das Schiff in den Wind. Die Segel flatterten und bauschten sich dann auf, als der Wind hineinfaßte. Ich starrte die verwitterten Planken an, die sich steil über mich neigten. Und dann zog der Schoner aus meinem Gesichtskreis fort.
    Ich wandte nicht einmal den Kopf, um ihm zu folgen. Erst konnte ich kaum glauben, was geschehen war. Ich kauerte mich am Boden des Bootes hin und starrte betäubt und leer auf das öde und ölige Meer. Dann wurde mir klar, daß ich wieder in dieser meiner jetzt halb unter Wasser stehenden kleinen Hölle war. Als ich über Bord zurückblickte, sah ich, wie der rothaarige Kapitän mich vom Backbord aus verhöhnte; und als ich mich zur Insel wandte, sah ich, daß sich das Langboot bereits dem Ufer näherte.
    Plötzlich wurde mir die Grausamkeit dieser Aussetzung klar. Ich hatte keine Möglichkeit, das Land zu erreichen, wenn ich das Boot nicht antrieb. Man muß bedenken, daß
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