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Die Insel der Verlorenen - Roman

Die Insel der Verlorenen - Roman

Titel: Die Insel der Verlorenen - Roman
Autoren: Luchterhand
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geliebt.«
    »Ja, aber dann waren Sie verwitwet und da wollten Sie auch nicht.«
    »Da habe ich ein Kind bekommen und brauchte Zeit zum Trauern.«
    »Und, haben Sie die jetzt gehabt?«
    »Ich glaube schon.«
    Alicia sah, dass Tirsa aufstand, sich entfernte, dass sie die Hände hinter dem Rücken bewegte. Sie stellte sich vor, dass sie die Finger um den Holzhammer krallte, den sie am Strick umhängen hatte. Es kostete sie eine übermenschliche Anstrengung, der Freundin nicht mit den Augen zu folgen, denn dann hätte Victoriano sich umgedreht.
    »Und Ihre Kinder, werden die mich denn als Vater akzeptieren?«, fragte der Mann.
    Alicia hatte angefangen zu zittern, ihr trockneten die Spucke im Mund und die Worte auch.
    »Wenn du sie gut behandelst, schon«, als sie ahnte, dass Tirsas Schatten sich näherte, wurde ihre Stimme vor Spannung brüchig.
    »Wenn ich jetzt zu ihr hinüberschaue«, wusste Alicia, »bringt Victoriano sie um.«
    Aber ihre Augen gehorchten ihr nicht, sie bewegten sich von alleine, die Pupillen weiteten sich und starrten den Holzhammer an, den Tirsa über den Kopf mit dem roten Haarschopf hob. In der Mimik der Frau sah Victoriano seinen eigenen Tod gespiegelt. Er erkannte ihn auf der Stelle: Zu oft hatte er ihm schon gegenübergestanden. Und er wollte ihm entkommen, auch diesmal versuchte er auszuweichen. Er warf sich zur Seite, aber seine kranken Beine wollten ihm nicht recht gehorchen. Die Bewegung war ungeschickt, die Flucht unvollständig und der Holzhammer, der schon sank, traf ihn im Nacken. Für den endlosen Bruchteil einer Sekunde erstarrte er, reagierte, reanimierte seine Reflexe, belebte seine Instinkte wieder und streckte die Hand nach einer Harpune aus. Tirsa wich, überrascht über ihren missglückten Angriff, zurück, während Alicia die Szene stumpf und erstarrt beobachtete, als hätte der Schlag sie getroffen. Sie wollte weglaufen, unterdrückte aber den Impuls. Sie sah Victoriano die Harpune schwingen, auf die Stelle zwischen Tirsas Augen zielen, sah wie diese die Beine beugte, sich in Position brachte, die Offensive abwartete und den Hammer schützend vor sich hielt. »Wenn ich nichts unternehme, durchbohrt er sie«, dachte Alicia und warf sich seitlich auf den Mann, weit genug von der Harpunenspitze entfernt. Ein schwarzer Arm schlang sich um ihre Kehle und drückte zu. Sie ahnte schon den Atemstillstand in den Lungen, nahm dann aber ihren Mund wahr, riss ihn auf, schloss ihn ruckartig und schlug die Zähne in ihn hinein, versenkte sie bis zur Wurzel, schmeckte den Geschmack von Blut, legte ihre ganze Kraft und ihren ganzen Willen in den Biss und wusste, dass sie nicht mehr lockerlassen würde, komme was wolle. Tirsa nutzte den Moment, um den Hammer erneut zu heben, ließ ihn fallen, ohne zu wissen wohin, und hörte, wie Victoriano aufbrüllte. Sie lachte, von der eigenen Kraft berauscht.
    »Diesmal bringe ich dich um, Victoriano«, sagte sie ohne Zorn, beinah heiter. »Damit du lernst, dass man nicht einfach Frauen fickt.«
    Dann ließ sie präzise und mit großer Sicherheit, ohne Eile, ohne Ekel und ohne Reue den Hammerschlag exakt auf seine Schädelmitte niedergehen und vernahm ein trockenes, stumpfes, verhaltenes Krachen, wie das von Kokosnüssen, wenn die Machete sie teilt.
    »Du kannst ihn loslassen«, sagte Tirsa dann zu Alicia, die ihm immer noch in den Arm biss. »Er ist tot.«
    Alicia vermochte nur mit Mühe ihren Kiefer zu lockern, der sich verkrampft hatte, der starr war und wie festgeschweißt vom starken Zudrücken. Sie zog die Zähne heraus, löste sich aus der Umklammerung des leblosen Arms und stellte sich neben die andere Frau. Der auf den Boden gestreckte Körper erschauerte mit einem Röcheln, die Knochen knackten und die Augen verdrehten sich ins Weiße. Tirsa nahm die Harpune, holte aus und stieß sie dem Leichnam in die Brust.
    »Es reicht jetzt! Was soll das?«, schnauzte Alicia sie an.
    »Sicher ist sicher.«
    »Genug! Komm jetzt, sonst verpassen wir das Schiff.«
    »Und den lassen wir da liegen, ohne ihn zu begraben?«
    »Den soll das Meer holen, wenn es steigt.«
    Sie liefen weg, so schnell ihre Beine sie trugen, vorbei am Südfelsen und bis zu dem kleinen Strand, wo sie die anderen Frauen zurückgelassen hatten, aber da war niemand mehr. Auch vom Schiff keine Spur. Ganz hinten im Norden, da regte sich etwas, sie gingen hin und kamen genau in dem Moment an, als die vier Männer aus dem Boot festen Boden betraten.
    »Können Sie uns auf Ihrem Schiff
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