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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Autoren: Dan Simmons
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offenen zivilen und militärischen Funkverkehr belauschen. Falls erforderlich, können wir das Schiff des Konsuls rufen.«
    »Nein!« schrie der Konsul. Er zeigte zum ersten Mal seit mehreren Minuten eine echte Gefühlsregung. »Wir können jetzt nicht umkehren.«
    »Ich glaube, wir haben nicht die Absicht, jetzt umzukehren«, sagte Oberst Kassad. Er betrachtete reihum die blassen Gesichter. Einen Augenblick lang sagte niemand etwas.
    »Wir müssen eine Entscheidung fällen«, sagte Sol Weintraub. Er wiegte sein Baby und deutete mit einem Nicken Richtung Konsul.
    Martin Silenus hatte die Stirn auf den Hals der leeren Flasche Scotch gestützt gehabt. Er sah auf. »Auf Verrat steht die Todesstrafe.« Er kicherte. »Wir werden sowieso alle in den nächsten Stunden sterben. Warum sollte unsere letzte Tat nicht eine Hinrichtung sein?«
    Pater Hoyt verzog das Gesicht, als ihn ein Schmerzanfall überkam. Er berührte die rissigen Lippen mit einem zitternden Finger. »Wir sind kein Gericht.«
    »Doch«, sagte Oberst Kassad. »Das sind wir.«
    Der Konsul zog die Beine an, legte die Unterarme auf die Knie und verschränkte die Finger ineinander. »Dann entscheiden Sie.« Seine Stimme war emotionslos.
    Brawne Lamia hatte die automatische Pistole ihres Vaters herausgeholt. Jetzt legte sie sie neben sich auf den Boden. Ihr Blick wanderte vom Konsul zu Kassad. »Sprechen wir hier von Verrat?« sagte sie. »Verrat an wem? Mit Ausnahme des Obersten ist keiner von uns ein führender Mitbürger. Wir sind allesamt von Kräften jenseits unserer Kontrolle herumgeschubst worden.«
    Sol Weintraub wandte sich direkt an den Konsul. »Sie haben eines übersehen, mein Freund: Wenn Meina Gladstone und Elemente des TechnoCore Sie für den Kontakt mit den Ousters ausgewählt haben, haben sie genau gewußt, was Sie tun würden. Vielleicht konnten sie nicht wissen, daß die Ousters die Möglichkeit hatten, die Gräber zu öffnen – obwohl man das bei den KIs des Core nie wissen kann –, aber sie wußten sicherlich, daß Sie sich gegen beide Seiten stellen würden, gegen beide Lager, die Ihrer Familie Leid zugefügt haben. Alles ist Teil eines bizarren Plans. Sie waren ebenso wenig ein Instrument Ihres freien Willens wie ...« – er hielt das Baby hoch – »dieses Kind hier.«
    Der Konsul sah verwirrt drein. Er wollte etwas sagen, schüttelte aber statt dessen den Kopf.
    »Das mag richtig sein«, sagte Oberst Fedmahn Kassad, »aber so sehr sie auch versuchen, uns alle wie Schachfiguren zu behandeln, so sehr müssen wir versuchen, eigenständig zu handeln.« Er sah zur Wand, wo Lichter der fernen Raumschlacht den Verputz blutrot färbten. »Durch diesen Krieg werden Tausende sterben. Vielleicht Millionen. Wenn die Ousters oder das Shrike Zugang zum Farcastersystem des Netzes bekommen, stehen Milliarden Leben auf Hunderten von Welten auf dem Spiel.«
    Der Konsul verfolgte, wie Kassad den Todesstrahler hob.
    »So ginge es für uns alle schneller«, sagte Kassad. »Das Shrike kennt kein Erbarmen.«
    Niemand sagte etwas. Der Konsul schien etwas in weiter Ferne zu betrachten.
    Kassad drückte die Sicherung und steckte den Strahler wieder in den Gürtel. »Wir sind so weit gekommen«, sagte er, »wir werden auch den Rest des Weges gemeinsam gehen.«
    Brawne Lamia steckte die alte Pistole ihres Vaters ein, stand auf, durchquerte den kleinen Raum, kniete sich neben den Konsul und schlang die Arme um ihn. Der Konsul hob verblüfft einen Arm. Licht tanzte an der Wand hinter ihnen.
    Einen Moment später kam auch Sol Weintraub näher und umarmte sie beide mit einem Arm um ihre Schultern. Das Baby räkelte sich behaglich in der plötzlichen Körperwärme. Der Konsul nahm den Talkum- und Babygeruch wahr.
    »Ich habe mich geirrt«, sagte der Konsul. »Ich werde dem Shrike doch eine Bitte vortragen. Ich werde für sie bitten.« Er berührte zärtlich Rachels Kopf, wo der winzige Schädel in den Hals überging.
    Martin Silenus gab einen Laut von sich, der als Lachen anfing und als Schluchzen aufhörte. »Unsere letzten Wünsche«, sagte er. »Erfüllt die Muse Wünsche? Ich habe keinen Wunsch. Ich möchte nur, daß das Gedicht vollendet wird.«
    Pater Hoyt wandte sich an den Dichter. »Ist das so wichtig?«
    »O ja, ja, ja, ja«, stöhnte Silenus. Er ließ die leere Scotchflasche fallen, griff in die Tasche, holte eine Handvoll Ausdrucke hervor und hielt sie hoch, als wollte er sie der Gruppe als Opfer darbringen. »Möchten Sie es lesen? Möchten Sie, daß ich
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