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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Autoren: Dan Simmons
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werdet es jetzt nicht einsetzen?« fragte ich. Wir standen im Schatten des Bildes mit Namen Sphinx.
    »Noch nicht«, sagte Andil. »Erst wenn die Invasion bevorsteht.«
    »Aber ihr habt gesagt, es würde Monate dauern, bis das Gerät arbeitet«, sagte ich, »bis sich die Gräber auftun.«
    Andil nickte. Ihre Augen waren dunkelgrün. Sie war sehr groß, und ich konnte die unauffälligen Streifen des energiebetriebenen Exoskeletts an ihrem Raumanzug erkennen. »Vielleicht ein Jahr oder länger«, sagte sie. »Das Gerät bewirkt, daß die Anti-Entropiefelder allmählich zusammenbrechen. Wenn er einmal eingeleitet wurde, ist der Prozeß unumkehrbar. Wir werden es erst aktivieren, wenn die Zehn Räte beschlossen haben, daß eine Invasion des Netzes notwendig ist.«
    »Es herrschen Zweifel?« fragte ich.
    »Ethische Diskussionen«, sagte Andil. Wenige Meter von uns entfernt bedeckten die drei Techniker das Gerät mit Chamäleontuch und einem codierten Sperrfeld. »Bei einem interstellaren Krieg werden Millionen sterben, vielleicht Milliarden. Das Shrike ins Netz entkommen zu lassen, kann zu unvorhergesehenen Konsequenzen führen. So sehr wir darauf angewiesen sind, gegen den Core vorzugehen, es gibt Diskussionen über die beste Vorgehensweise.«
    Ich nickte und betrachtete das Gerät und das Tal der Zeitgräber. »Aber wenn das da aktiviert ist«, sagte ich, »gibt es kein Zurück mehr. Das Shrike wird befreit, und ihr habt den Krieg gewonnen, wer es beherrschen wird?«
    Andil lächelte grimmig. »So ist es.«
    Da erschoß ich sie, sie und ihre drei Techniker. Dann warf ich Großmutter Siris Steiner-Ginn Laser weit in die wandernden Dünen, setzte mich auf eine leere Schaumstoffkiste und weinte. Dann ging ich hinüber, klinkte mich mit dem Komlog eines Technikers in das Sperrfeld ein, warf das Chamäleontuch fort und löste das Gerät aus.
    Es erfolgte keine unmittelbare Veränderung. Die Atmosphäre war vom selben vollen Winterlicht erfüllt. Das Jadegrab leuchtete schwach, während die Sphinx weiterhin auf nichts herabsah. Nur das Schaben des Sandes auf den Kisten und Leichen war zu hören. Nur ein leuchtendes Indikatorlämpchen am Gerät der Ousters zeigte, daß es funktionierte ... bereits funktioniert hatte.
    Ich ging langsam zum Schiff zurück, rechnete halb damit, daß das Shrike auftauchen würde, und hoffte halb darauf. Ich saß über eine Stunde auf dem Balkon meines Schiffes, sah zu, wie Schatten sich über das Tal senkten und der Sand die fernen Leichname zudeckte. Es kam kein Shrike. Kein Baum der Dornen. Nach einer Weile spielte ich ein Prelude von Bach auf dem Steinway, machte das Schiff dicht und startete ins All.
    Ich nahm Verbindung mit dem Schiff der Ousters auf und sagte, es habe einen Unfall gegeben. Das Shrike habe die anderen geholt, das Gerät sei vorzeitig aktiviert worden. Selbst in ihrer Verwirrung und Panik boten mir die Ousters Asyl an. Ich lehnte das Angebot ab und flog mit meinem Schiff Richtung Hegemonie zurück. Die Ousters verfolgten mich nicht.
    Mit meinem Fatlinesender nahm ich Kontakt zu Gladstone auf und sagte ihr, daß die Agenten der Ousters eliminiert worden waren. Ich sagte ihr, daß die Invasion sehr wahrscheinlich war und die Falle wie geplant zuschnappen könne. Ich sagte ihr nichts von dem Gerät. Gladstone gratulierte mir und bat mich nach Hause. Ich lehnte ab. Ich sagte ihr, daß ich Ruhe und Einsamkeit brauchte. Ich flog mit dem Schiff zur Hyperion nächstgelegenen Outback-Welt und wußte, die Reise selbst würde soviel Zeit verschlingen, bis der nächste Akt beginnen konnte.
    Später, als ich von Gladstone selbst den Ruf erhielt, an der Pilgerfahrt teilzunehmen, wurde mir klar, welche Rolle mir die Ousters in diesen letzten Tagen zugedacht hatten – die Ousters, oder der Core, oder Gladstone und ihre Machenschaften. Es spielte keine Rolle mehr, wer sich als Herr der Ereignisse betrachtet. Die Ereignisse gehorchen ihren Herrn nicht mehr.
    Die Welt, wie wir sie kennen, geht dem Ende entgegen, meine Freunde, was auch immer mit uns geschehen mag. Was mich betrifft, ich habe keine Bitte an das Shrike. Ich verliere keine letzten Worte für das Shrike oder das Universum. Ich bin zurückgekehrt, weil ich es mußte, weil es mein Schicksal ist. Ich habe, seit ich ein Kind war, gewußt, was ich tun mußte, seit ich allein zu Siris Grab gegangen bin und der Hegemonie Rache geschworen habe. Ich habe gewußt, welchen Preis ich bezahlen muß, sowohl im Leben wie auch vor der
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