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Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Titel: Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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verwirrt zu und verstand überhaupt nicht, worum es hier ging. Wofür sollte sie zu dürr sein? Und was das Essen anbelangte, übertrieb ihr Stiefvater maßlos. Meistens bekam sie das kleinste Stück von allem. Wenn in seltenen Fällen einmal Fleisch auf den Tisch kam, gab ihre Mutter ihr heimlich etwas ab. Am Tisch hieß es immer, das Fleisch wäre für die Jungs, da diese stark am Wachsen wären und harte Arbeit verrichten müssten.
    »Das bezweifle ich. Aber wie dem auch sei, sie braucht etwas auf die Rippen, so kann ich sie nicht anbieten. Das wird zu teuer«, sagte die Frau in ruhigem Ton.
    Ihr Stiefvater sog scharf die Luft ein. »Ich bitte euch, Frau Margarete. Es war ein langer und beschwerlicher Weg, und wir wissen sonst nicht weiter.«
    Als Frau Margarete Lena erneut musterte, schob sie trotzig das Kinn vor. Sie kam sich vor, als wäre sie eine Kuh, um die man feilschte, weil sie zu wenig Milch gab. »Ich bin stark, Frau Margarete, habe mit meinem Stiefvater und den Brüdern die Ernte eingeholt, unsere Tiere versorgt und den Stall ganz alleine ausgemistet. Ich brauche nicht viel Essen. Täuscht euch nicht in meinem Aussehen.«
    Ihre Worte brachten ihr eine Ohrfeige ein. »Wie redest du denn?«, fragte ihr Stiefvater zornig.
    Betroffen senkte Lena den Blick.
    »Lass sie in Ruhe«, fuhr Frau Margarete barsch dazwischen und erhob sich. »Sie hat schöne Zähne, nicht dass du sie ihr noch einschlägst. Für ihre krumme Nase bist du sicherlich auch verantwortlich.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Frau Margarete«, heuchelte ihr Stiefvater. »Das mit der Nase war ein Unfall.« Sichtbar verwirrt ließ er die Hand sinken.
    Empört sah Lena ihren Stiefvater an, wusste jedoch sein gefährliches Funkeln in den Augen gut zu deuten und schwieg. Warum um alles in der Welt log er so viel? Ihre Mutter hatte immer gepredigt, dass man mit Lügen nicht weit käme und der Herr so etwas bestrafen würde. Wieso wurde er jetzt nicht bestraft?
    Die Frau maß sie mit einem eindringlichen Blick. »Also gut. Ich zahle dir zwei Drittel von der vereinbarten Summe.«
    »Das ist zu wenig. Wir müssen neu anfangen, eine Bleibe suchen. Dafür kann ich sie nicht hergeben.«
    »Du hast sie aber üppiger beschrieben, als sie in Wahrheit ist. Außerdem könnte deine Ernte sich noch erholen, oder? Dann bist du fein heraus, und ich habe das Nachsehen.« Sie seufzte. »Aber gut, du bekommst dein Geld.« Sie wandte sich an Lena. »Warte draußen, Kind.«
    Eilig nahm Lena ihren Mantel und verließ den Raum. Draußen in der Diele atmete sie erleichtert durch. Sie verstand nichts mehr. War es so, wenn junge Mädchen von ihren Eltern in die Welt geschickt wurden? Sie wusste nicht, ob es üblich war, aber sie wusste, dass sie nicht hierbleiben wollte, auch wenn Frau Margarete ihr freundlich erschien und sie Lena vor weiteren Schlägen des Stiefvaters bewahrt hatte.
    Es dauerte nicht lange, und er trat zu ihr auf den Flur.
    »Vater …« Dicke Tränen quollen aus Lenas Augen. Sie konnte nichts dagegen tun. »Was ist das hier?«
    Sein blasses Gesicht verfinsterte sich. »Das wird sie dir gleich sagen.«
    »Bitte lass mich nicht hier, bitte. Ich werde alles tun …«
    Er schnitt ihr mit drohender Hand das Wort ab. »Es muss sein. Geh hinein und befolge, was sie dir aufträgt. Mach uns keine …« Er stockte und presste seine Lippen fest aufeinander. Seine Hand bewegte sich in ihre Richtung, doch ehe er ihr Gesicht erreichte, ließ er sie wieder sinken. »Leb wohl.« Ohne sich noch einmal umzudrehen, eilte er die Treppe hinauf und verschwand aus ihrer Sicht.
    Lena wollte hinter ihrem Stiefvater herrennen, doch die Tür öffnete sich, und Frau Margarete zog sie am Arm hinein. Im Licht der Diele sah Lena, dass die Frau ein edles blaues Kleid trug, an dem ein rotes Band auf der linken Brust angebracht war. Der schwarze Umhang war aus kostbarem Tuch, und zwei große goldene Ringe zierten ihre Finger. Sie hatte weißes Haar und war um einiges älter als Lenas Mutter.
    »Er wird dich nicht mitnehmen, das tut keiner von ihnen. Finde dich damit ab, dann wird es leichter zu ertragen sein. Aber lass uns nicht hier stehen bleiben, setze dich, Kind. Ich werde dich weder fressen noch schlagen, und wir haben viel zu bereden.«
    Hinter ihr fiel die Tür zu. Frau Margarete deutete auf einen gepolsterten Stuhl. Lena setzte sich auf die Kante, stellte sich ihr Bündel auf den Schoß und schob die Hände unter ihre Oberschenkel. Sie zitterten so sehr, dass sie sich dafür
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