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Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Titel: Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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gutes Leben, mein Kind. Kümmere dich um deine Mutter.« Er hustete,
und Anna erschrak, als dabei ein weiterer Schwall Blut aus seinem Mund
hervorquoll.
    »Sag
doch so etwas nicht. Du wirst doch wieder gesund, Vater.« Sie wusste selbst,
dass das nicht stimmte, griff nach einem Tuch und tupfte ihm das Blut ab. Als
der Anfall vorüberging, war er außer Atem.
    »So?«,
keuchte er. »Warum weinst du dann?« Sein Versuch zu zwinkern misslang wegen der
Schwellung am Auge.
    Anna
spürte plötzlich die beruhigende Hand von Claas auf ihrer Schulter, der
unbemerkt neben sie getreten war.
    »Claas,
mein guter Junge.«
    »Nennt
mich nicht mehr so, Meister. Ich allein bin schuld!« Nun weinte auch Claas, und
er schämte sich nicht vor ihr. Die Tränen verfingen sich in seinen langen
Wimpern und tropften hinunter. Nie zuvor hatte Anna ihn so erschüttert gesehen,
nie hätte sie geahnt, dass ihr Vater ihm so viel bedeutete.
    »Nein,
mein Junge, gräm dich nicht. Das Wichtigste ist jetzt, dass du die Arbeit zu
Ende bringst. Mein Mädchen wird dir helfen. Es war gut, dass ich ihr so viel
beigebracht habe.« Damit sah er Anna an.
    »Meister,
hätte ich nicht getrunken, wäre das vielleicht alles nicht passiert.«
    »So
redet nur ein Narr. Es ist nicht deine Schuld, das habe ich dir gestern schon
gesagt.«
    »Wie
kann ich sicher sein?«, fragte Claas.
    Anna
verstand nicht, worum es zwischen den Männern ging, und schaute verwirrt von
einem zum anderen.
    »Es
ist nicht mehr wichtig. Nur die Statue ist wichtig, das weißt du.« Erneut
hustete der Vater, und Anna stockte der Atem, als er seine Augen schloss. Nach
einem Moment öffnete er sie jedoch wieder, und sie atmete erleichtert auf.
    »Du
warst mir all die Jahre mehr als ein Lehrling und Geselle …«
    »Und
Ihr mir mehr als ein Meister.«
    »Ich
wäre froh, wenn Anna einmal einen solchen Mann ehelichen würde.«
    »Vater …«
Wie konnte er in diesem Moment an so etwas denken. Er ignorierte ihre Empörung,
und Claas schwieg.
    »Sie
widerspricht nur zu oft.« Erneut versuchte er ein Zwinkern. »Dann wäre auch der
Betrieb in guten Händen. Ihr müsst mir ein Versprechen geben. Ihr müsst die
Statue für mich fertigstellen. Erkläre Anna, was es damit auf sich hat, sie
wird dir helfen können, Claas. Wenn du den Lohn erhältst, teile mit meiner
Familie, dann ist für euch alle gesorgt. Willst du das tun?«
    »Ich
tue alles, was ich kann. Das schwöre ich bei Gott.«
    »Guter
Junge.« Mit viel Mühe wandte ihr Vater sich ihr wieder zu und verzog das
Gesicht, als ein weiterer Hustenanfall ihn viel Blut spucken ließ. Anna ahnte,
dass es zu Ende ging, und unter Tränen säuberte sie ihm noch einmal das Kinn.
Es brach ihr beinahe das Herz, ihn so leiden zu sehen.
    »Versprich
mir, dass du ihm helfen wirst, mein Kind.« Erwartungsvoll sah er sie an,
nachdem der Anfall vorüber war. Anna nickte nur stumm, damit er sich nicht
weiter anstrengen musste.
    Geführt
von Mechthild und dem Bader, betrat ihre Mutter das Zimmer. Sie sah verwirrt
aus, als die beiden sie behutsam zum Bett ihres Mannes führten.
    »Mein
liebes Weib. Wir hatten so gute Jahre, ich möchte keines –« Ein erneuter
Hustenanfall unterbrach ihn, und eine Unmenge Blut ergoss sich auf das Laken.
Seine Augen waren angstgeweitet.
    »Jacob!«,
schrie ihre Mutter und brach in den Armen von Mechthild zusammen.
    Der
Bader hob ihren Vater sanft an, doch der Anfall wollte nicht vorübergehen. Er
schnappte zweimal laut nach Luft, dann verstummte er, und sein Kopf fiel
langsam zur Seite.
    »Vater …
Vater!« Anna schrie verzweifelt, doch wusste sie längst, dass sie ihn in diesem
Moment verloren hatte.
    Erinnerungen
rasten durch ihren Kopf. Sie sah, wie er sie lehrte, das Zahneisen zu halten,
den Knüpfel einzusetzen. Sie sah sein Lächeln, wenn er stolz eine Arbeit
gehauen hatte, wie er mit Claas Scherze machte oder sie lobte, wenn sie etwas
gut gemacht hatte. Nun ruhte sein Kopf leblos auf dem rot gefärbten Kissen,
sein Atem war verstummt. Nie mehr würde er sie in den Arm nehmen, nie mehr
würde sie sein Lachen hören, seine Stimme, das Hämmern aus der Werkstatt. Die
Erkenntnis traf sie hart. Schwankend suchte sie Halt, und Claas stützte sie.
    Der
Priester beugte sich über ihren Vater, schüttelte stumm den Kopf und malte mit
den Händen ein Kreuz in die Luft. »Ego te absolvo a peccatis
tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti«, sprach der
Priester, und die Anwesenden bekreuzigten sich.
    Lust auf mehr?
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