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Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Titel: Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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versucht war, sich ihren Umhang vor die Nase zu halten. Es roch nach menschlichen Ausdünstungen gemischt mit Backwaren, Kräutern und Blüten und nach Pisse, nach Tieren und schlechtem Atem. Schmutzige Kinder spielten in Hauseingängen oder aufgeweichten Gassen, Frauen kippten ihren Unrat in die Gosse. Schwere Fuhrwerke, beladen mit allerlei Gütern, fuhren kreuz und quer. Ein stecken gebliebener Ochsenkarren versperrte den Weg für nachfolgende Gespanne, und es gab einen kleinen Aufruhr, den Lena fasziniert beobachtete, während ihr Stiefvater sie durch die Straße führte: Drei Männer versuchten gerade, den Wagen aus dem Schlamm zu befreien, doch der Ochse weigerte sich nachzugeben. Fluchend zogen sie ihn an den Hörnern und gaben ihm die Rute aufs Hinterteil. Irgendwann wurde es dem Tier offenbar zu bunt, und es setzte träge seinen Weg fort. Der Fahrer schwang sich schwitzend auf den Kutschbock, bedankte sich bei seinen Helfern und lenkte sein Tier vorwärts.
    Sie kamen an großen Kirchen vorbei, doch keine von ihnen war so gewaltig wie der Dom, der hoch in den Himmel ragte. Zu dessen Füßen war gerade Markt, kein so großer wie der Freimarkt, aber dennoch voller Menschen und Händler, die sich um den hölzernen Roland versammelt hatten. Laut schreiend wurden Waren angeboten, es wurde an Käufern gezerrt und verhandelt. Es gab Felle und Tuche, Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Gemüse, Brot, süßes Gebäck und geröstete Maronen bis hin zu Hühnern, Schafen, Ziegen und Pferden.
    Ebenso zahlreich waren die Leute, die etwas von diesen Dingen erstanden. Lena beobachtete ein vornehm gekleidetes Mädchen in ihrem Alter, das sich ein langes Stück roten Stoff unter das Kinn hielt und eine ältere Frau flehend anlächelte. Die schüttelte jedoch energisch den Kopf, griff nach einem grünen Tuch, hielt es dem Mädchen ebenfalls unter das Kinn und nickte. Dann wandte sie sich damit dem Händler zu. Mit enttäuschtem Gesicht legte das Mädchen das rote Tuch wieder auf den Stapel und erhaschte dabei einen Blick auf Lena. Plötzlich streckte sie ihr die Zunge heraus. Einen Moment war Lena versucht, es ihr gleichzutun, doch zwei uniformierte Büttel versperrten ihr die Sicht. Die Männer schleiften einen jungen Burschen am Ohr hinter sich her, welcher sich unter Schmerzen wand und sichtlich Mühe hatte, mit seinen Peinigern Schritt zu halten.
    Ihr Stiefvater zog sie von all dem ungerührt in eine schmale Gasse, und sie ließen den Markt und das bunte Treiben hinter sich. Der Weg führte zum Hafen hinunter, doch kurz bevor sie ihn erreichten, bogen sie ab. Die Menschen, die ihnen hier entgegenkamen, blickten finster drein, und Lena drückte sich enger an ihren Stiefvater. Je weiter sie sich vom Markt entfernten, desto weniger Leute sahen sie.
    Die Sonne brannte nun, als wolle sie beweisen, dass sie es noch konnte. Lenas Kleider waren inzwischen getrocknet, und sie begann zu schwitzen. Die Menschen wie auch die Häuser wirkten hier schäbiger, und je weiter sie gingen, desto unerträglicher wurde der Gestank. Diesmal hielt Lena sich ihren Umhang vor die Nase. Aus Holzrinnen floss bläuliche, nach Pisse riechende Farbe auf die Straße und vermischte sich mit den aufgeweichten Fahrrinnen. Zwischen den Häusern hingen blau gefärbte Tücher und Stoffe.
    Als sie erneut abbogen, wurden auch die Häuser spärlicher. Hin und wieder hörten sie aus den Fluren ein panisches Muhen oder Quieken, und in den Rinnen dieser Gassen floss jetzt das Blut geschlachteter Tiere. Zwei Straßen weiter war es menschenleer. Ihr Stiefvater sah sich prüfend um, dann blieb er vor einem hohen Holzzaun stehen.
    »Warte hier.«
    Lena nickte folgsam, und er verschwand durch ein doppelflügliges Tor. Dahinter sah sie die beiden oberen Geschosse eines großen Fachwerkhauses, dessen Läden geschlossen waren. Eine kleine Glocke ertönte. Das Tor spendete ein wenig Schatten, und so lehnte Lena sich dankbar gegen das Holz.
    Lange musste sie nicht warten, denn nach kurzer Zeit kam ein leicht bekleidetes Mädchen, vielleicht zwei, drei Jahre älter als sie selbst, aus dem Tor und musterte sie von Kopf bis Fuß. Sie hatte eine unbändig wirkende blonde Mähne, schräge Augen und einen kleinen, aber vollen Mund.
    »Du bist also Lena.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und sie klang spitz und ungeduldig. Lena straffte sich unter dem prüfenden Blick und nickte.
    »Mein Name ist Kora, merk ihn dir. Ich soll dich hereinholen.« Damit schritt das Mädchen
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