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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench
Autoren: Christa S. Lotz
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Girondo redete beruhigend auf Rodolfo und Clementina ein.
    »Wo ist meine Tochter, meine Angelina?«, rief Signora Girondo aus.
    »Sie hat versprochen, wiederzukommen, ist aber seit Tagen nicht erschienen. Ich fühle, dass ihr etwas zugestoßen sein muss.«
    »Sie wird mal wieder bei Rinaldo oder sonst wo sein«, warf ihr Gatte ein.
    »Nein, dort ist sie nicht«, sagte Francesco mit fester Stimme. »Auch wir glauben, dass sich Angelina in höchster Gefahr befindet! Aber du musst dich beruhigen, Lukrezia.« Signor Girondo warf seiner Gattin einen fragenden Blick zu.
    »Ja, wir haben uns einmal nahegestanden, Lorenzo. Wir hatten doch nach der Beichte darüber gesprochen«, sagte Signora Girondo. |419| »Aber das ist lange her und tut nichts zur Sache. Abgesehen davon hast du es mir ja immer vorgemacht!« Signor Girondo wollte den Mund zu einer Erwiderung öffnen, doch Francesco bedeutete ihm zu schweigen.
    »Darüber könnt ihr später miteinander reden«, sagte er. »Es gibt einen wichtigen Grund, warum wir hier sind. Was geschah damals, bevor Angelina entführt und in diesen Keller gebracht worden war?«
    Das Ehepaar schaute einander in die Augen.
    »Ich weiß es nicht mehr«, meinte Signora Girondo.
    Signor Girondo zuckte hilflos die Achseln.
    »Habt ihr das alles aus eurer Erinnerung verbannt?«, bohrte Francesco weiter, »so wie es auch Angelina verbannt hat?«
    »Es ist so lange her«, jammerte Signora Girondo. »Wie haben wir denn damals gelebt, Lorenzo?«
    »Nun, wir haben Feste gefeiert, ich habe das Kontor in Florenz verwaltet, Tuche verkauft, wir sind in die Kirche gegangen …«
    »Mit Lorenzo de’ Medici haben wir Umgang gepflegt«, fügte seine Frau hinzu.
    »Das hilft uns nicht weiter«, drängte Francesco. Lucas wartete gespannt.
    »Was habt ihr im Sommer gemacht?«
    »Da waren wir auf unserem Landgut«, brachte Signora Girondo hervor.
    »Und auch da habt ihr Feste gefeiert, nicht wahr?«, versuchte Francesco ihr weiterzuhelfen. »Angelina war noch ein halbes Kind. Wie hat sie ihre Tage auf dem Landgut verbracht?«
    »Sie hat mit Nachbarkindern gespielt. Da war auch ein Bauernsohn, der sie gernzuhaben schien. Sie hatte wohl seinen Bruder lieber als ihn. Und eine Verbindung wäre sowieso nicht in Frage gekommen, mit beiden nicht.«
    »Was geschah an dem Tag, bevor Angelina entführt wurde?«, fragte Francesco weiter.
    Signora Girondos Züge wurden weich.
    »Jetzt weiß ich es wieder. Wir waren auf der
Festa Sagra
in Fiesole. |420| Angelina tanzte mit dem Bruder dieses Bauernjungen, ich weiß seinen Namen nicht mehr. Immer, wenn sie an uns vorbeitanzte, winkte sie uns zu.«
    »Und dann?«, fragte Francesco.
    »Dann waren die beiden mit einem Mal verschwunden. Wir suchten sie überall, konnten sie aber nirgends finden. Tagelang haben wir nach ihr gesucht.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Erst viel später wurde sie in diesem Keller entdeckt. Sie sprach nie über das, was mit ihr geschehen war. Und so dachten wir, es wäre das Beste, wenn sie und wir alle es vergaßen.«
    »Ob das wirklich das Beste war …«, begann Francesco, ließ den Satz aber unvollendet. Zu Lucas gewandt, sagte er:
    »Wir müssen in Fiesole selbst suchen.«
    Mit einem kurzen Gruß waren beide zur Tür hinaus und ließen die Familie fassungslos zurück.
     
    Francesco hatte Lucas gebeten, zu Sonia zurückzugehen, um sie zu beschützen. Er musste Angelina allein finden, durfte niemanden mehr in Gefahr bringen. Es war dunkel, als er in Fiesole ankam. Kein Mensch zeigte sich in den Gassen. Am Marktplatz war noch ein Gasthaus geöffnet, aus dem der Lärm der Zecher drang. Francesco band sein Pferd an einen Ring, der in die Mauer eingelassen war, und betrat den Schankraum.
    Er war dunkel getäfelt; in einer Ecke glühte ein Kamin. Männer und Frauen saßen an den Tischen, aßen, tranken und unterhielten sich lauthals miteinander. Francesco steuerte auf den Wirt zu, der im Begriff war, Fladenbrote, mit Schinken und Rahm belegt, in den Ofen zu schieben. Francescos Magen knurrte, doch er konnte sich nicht mit Essen aufhalten.
    »Könntet Ihr mir eine Auskunft geben, Signore?«, fragte er.
    Der Wirt richtete sich auf. Sein Gesicht glänzte von Schweiß.
    »Kommt darauf an, was Ihr wissen wollt«, entgegnete er.
    »Wo wird hier im Mai die
Festa Sagra
abgehalten?«
    »Auf dem Platz vor der Kirche«, gab der Wirt zur Antwort.
    |421| »Gibt es in der Nähe einen Weinkeller, der nicht mehr genutzt wird?«
    »Davon gibt es viele«, meinte der
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