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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench
Autoren: Christa S. Lotz
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ihn erstaunt an.
    »In Bezug auf Angelina hilft uns das aber nicht weiter«, meinte Lucas.
    »Was war denn am Anfang?«
    |413| »Am Anfang, bevor alles begann, war das Frühlingsfest von Angelinas Vater«, sagte Francesco schnell, als fürchtete er, den Faden zu verlieren.
    »Es könnte heißen, dass er an den Schauplatz des ersten Mordes zurückgegangen ist.«
    »Auf das Landgut der Girondos?«, fragte Sonia.
    »Ja, eben das.« Francesco zitterte innerlich bei dem Gedanken, dass er gerade erst dort gewesen war. Vielleicht wurde Angelina ganz in der Nähe der Stelle, an der er mit Nicolini gesprochen hatte, gefangengehalten.
     
    Angelina hatte den ganzen Tag auf Domenian gewartet. Die Zunge klebte ihr trocken am Gaumen, sie hatte großen Durst, der es ihr schwer machte, nicht das Bier zu trinken, das Domenian ihr hingestellt hatte. Als sie anfing, geisterhafte Gestalten zu sehen, beugte sie sich zu dem Krug hinab und trank. Ein Teil des Bieres verschüttete sie, weil es ihr nicht gelang, den Krug mit ihren gefesselten Händen zu ergreifen. Weil sie nichts gegessen hatte, wurde ihr ein wenig übel. Doch dann breitete sich eine wohlige Wärme in ihrem Magen aus. Sie lehnte sich zurück. Wieder hatte sie das Gefühl, vom Boden abzuheben. Doch sie wehrte sich dagegen. Angelina begann zu beten.
    Immer wieder begannen Bilder in ihr aufzusteigen. Eine Gruppe von Teufeln stellte sich zusammen und begann zu musizieren. Einer schlug die Laute, ein anderer eine riesige Trommel. Ein Dritter blies in eine Querflöte, in deren Ende Teufelshörner geschnitzt waren. Männer, Frauen, Kinder und Teufel fassten sich an den Händen und begannen zu tanzen. Immer wilder wurde die Musik. Angelina betete lauter. Sie griff nach ihrem Benediktuspfennig.
Vade retro, Satanas!,
wollte sie rufen, doch der Pfennig befand sich nicht an seinem Platz an ihrem Hals. Sie musste ihn verloren haben. Die Gestalt des Obersten richtete sich vor ihr auf, drehte sich langsam um. Das erste Mal konnte Angelina ihm ins Gesicht sehen. Seine Lippen bewegten sich schmatzend, seine Augen glühten wie Kohlen. |414| Seine Züge veränderten sich und erinnerten sie an jemanden, aber an wen? Ein Feuer leckte an der Gestalt empor, hüllte sie bald ganz ein, schlug über ihr zusammen, so dass Angelina erschrocken zurückwich. Das Gesicht begann zu schmelzen, verzerrte sich und verschwand.

|415| 53.
    Angelina starrte in das Gesicht Domenians, der die Öllampe in der Hand hielt, um sie besser sehen zu können.
    »Du bist soeben von einem Hexensabbat zurückgekehrt«, sagte er mit einem zufriedenen Lächeln.
    »Ja«, antwortete Angelina erschöpft. »Aber ich bin nicht freiwillig dort gewesen. Diese Reisen habe ich dir zu verdanken, Domenian.«
    Er ging nicht weiter darauf ein, sondern sagte:
    »Ich habe jemanden mitgebracht. Wahrscheinlich wirst du dich freuen, ihn zu sehen.«
    Hinter ihm wurde eine zweite Gestalt sichtbar. Angelina erschrak zutiefst. Es war Tomasio, dem sie ihr Bild gegeben und dem sie vertraut hatte, bis er sie Domenian überließ. Und das, obwohl er sagte, dass er sie liebte. Er hielt das Porträt in den Händen.
    »Erkennt Ihr es wieder, Signorina Girondo?«, fragte Tomasio.
    Und ob sie es wiedererkannte. Das Licht der Lampe erleuchtete ihr Gesicht und den Ansatz ihres Busens. Was für eine unschuldige Zeit war das gewesen, als sie sich dieses Kleid bei Tomasio hatte anfertigen lassen! Wie freundlich er damals zu ihr gewesen war. Dieser Mann hatte ihr ein Kleid gemacht, das er ihr später, als sie ihn nicht wollte, als Sünde anlastete. Doch in den Zügen ihres gemalten Gesichtes lag immer noch dieser Ausdruck, der sie zugleich erschreckte und heftig erregte. Angelina schloss die Augen. Sah so eine Hexe aus, eine Hure? Sah so jemand aus, in den ein Dämon gefahren war?
    »Schau das Bild an!«, befahl Domenian. Angelina riss die Augen auf.
    »Warum quälst du mich so?«, fragte sie müde. »Warum bringst du diesen Mann, der mich verraten hat, zu mir?«
    |416| »Er sollte nur das Bild hierherbringen«, entgegnete Domenian. »Dann kann er wieder gehen.«
    »Was hast du mit dem Bild vor?«
    »Es wird mit dir brennen.«
    Angelina schluckte. Sie fürchtete, ohnmächtig zu werden. Mit aller Kraft versuchte sie, sich wach zu halten. Ihr Kopf dröhnte.
    »Ich bin noch nicht bereit zu gehen«, sagte Venduti. Hoffnung keimte in Angelina auf. Vielleicht hatte er sich es anders überlegt, vielleicht wollte er sie hier herausholen? »Wie oft stand ich vor diesem
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