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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums
Autoren: Gabriela Galvani
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kaum wahr, wie die Verhandlungen des Reichstags voranschritten und es zu einem Wechselbad der Gefühle bei den Mitgliederndes Kurfürsten- und des Fürstenrats kam, als sich König Ferdinand mit seinem Bruder, dem Kaiser, auf keine Lösung einigen konnte, die Sitzungen aber trotzdem fortgeführt wurden.
    Depeschen hatten die Stadttore in die eine wie die andere Richtung passiert, ohne dass eine Entscheidung getroffen wurde. Schließlich war Wolfgang gesund und voller Enthusiasmus aus Venedig zurückgekehrt. Es stand außer Frage, dass Christiane mit ihm nach Frankfurt gehen würde – selbst wenn ihr Vater sein Einverständnis verweigert hätte. Doch Brunnenmeister Walser war zufrieden mit dem neuen Eidam, obwohl dieser Protestant war. Christiane nahm an, dass er froh war, die unliebsame Tochter endlich fortziehen zu sehen. Daher fiel ihr der Abschied von ihren Eltern nicht sonderlich schwer.
    Anders verhielt es sich mit Titus Meitinger. Ihren Schwäher verließ sie überraschend ungern, obwohl sie ihn auch dann nie wiedergesehen hätte, wenn sie in Augsburg geblieben wäre: Der alte Mann hatte sich für einen Lebensabend hinter Klostermauern entschieden. Nach allem, was Christiane über sein Leben inzwischen gehört hatte, hoffte sie aus ganzem Herzen, dass er im Kreise der Augustiner-Brüder seinen Frieden fand. Es verging kein Abend, an dem sie sein Wohlergehen nicht in ihre Gebete einschloss.
    Auch Bernhard Ditmold musste sie Lebewohl sagen. Der Assessor blieb in Augsburg, um sich nunmehr vollständig auf die Verhandlungen zur Reichskammergerichtsordnung zu konzentrieren. Weitere Morde sollten ihn nicht davon abhalten, an der Konferenz teilzunehmen, die am Rande der Verhandlungen über den Religionsfrieden geführt wurde. Dennoch wusste sie, dass sie den neu gewonnenen Freund wiedersehen würde, der versprochen hatte, so bald wie möglich nach Frankfurt zu reisen.
    Gemeinsam mit dem kleinen Johannes war sie Wolfgang in dessen Heimat gefolgt, nachdem sie in einer kurzen, stillen Zeremonie seine Frau geworden war. Zum ersten Mal war sie auf Reisen – eine unendlich aufregende Sache. Die neuen Eindrücke schwirrten ihr im Kopf, der Hintern schmerzte vom täglichen Reiten, und ihr Herz öffnete sich an jedem Tag ihres Zusammenseins ein wenig mehr für ihren Gemahl.
    Als sie schließlich Frankfurt erreichten, war sie verblüfft, da sie die hinter sich gelassene Welt für einen bedeutenden Mittelpunkt des Reiches gehalten hatte: Diese Stadt war jedoch fast so mächtig wie Augsburg und lag an einem Fluss, der breiter und wichtiger für den örtlichen Handel war als Lech und Wertach zusammen. Staunend beobachtete Christiane, wie täglich gegen zehn Uhr ein Floß mit rund dreihundert Passagieren und allerlei Waren an Bord mit Pferden von Mainz herangezogen wurde und ein weiteres Marktschiff derselben Größe den umgekehrten Weg antrat. Mit dem kleinen Johannes auf dem Arm stand sie häufig auf der Brücke, welche die Lebensader dieser Metropole in atemberaubenden vierzehn Bögen überspannte, und beobachtete den Alltag auf dem Wasser. Niemals aber hatte sie den Wunsch, von den Wellen fortgetrieben zu werden. An Wolfgang Delius’ Seite war nun ihr Zuhause – und sie wollte dieses verteidigen und für immer bewahren.
    In Frankfurt lernte sie rasch, dass es in jedem Paradies eine Schlange gab: Im Hause Delius hieß die Viper Amalie und war die Witwe von Wolfgangs verstorbenem, älterem Bruder. Ganz offensichtlich hatte diese Person erwartet, dem Haushalt des neuen Verlegers in einer ganz bestimmten Position vorzustehen, welche ihr nun von einer Fremden streitig gemacht wurde.
    Christiane versuchte – so gut es eben ging – Amalies Giftpfeile zu ignorieren; immerhin entschädigte ihr Mann sie mitseiner Liebe. Dennoch ärgerte sie sich darüber, zumal Amalie selbstverständlich meistens unfreundlich und gemein war, wenn sich Wolfgang nicht in ihrer Nähe aufhielt. Andererseits lehnte es Christiane ab zu petzen und entzog sich dadurch seinem Schutz. Sie hatte in den vergangenen Monaten so viel mehr durchgestanden als die eifersüchtigen Attacken einer enttäuschten Frau, befand sie, das bisschen Neid sollte sie eigentlich nicht aus der Fassung bringen.
    Wenigstens Johannes gegenüber benahm sich Amalie aufmerksam und fast liebevoll, was Christianes Groll besänftigte. Das, so nahm sie an, geschah, weil Amalie Wolfgang eine Freude machen wollte, der ganz offensichtlich einen Narren an dem Buben gefressen hatte. Christiane
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