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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums
Autoren: Gabriela Galvani
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Würde sie die Begegnung in Rehms alter Wohnung je vergessen können? Vielleicht mit der Hilfe eines anderen Mannes ...
    Vergiss es!, fuhr es ihr durch den Kopf. Vergiss die Vergangenheit, lebe die Gegenwart und denke nicht an die Zukunft.Es ist ein Geschenk, leben zu dürfen. Genieße das. Genieße den Moment.
    »Bitte, komm mit mir«, flüsterte sie, als sie vor ihrem Zimmer angekommen waren.
    Er zögerte, als könne er nicht glauben, was sie ihm tatsächlich anbot. Doch dann schob er eine Hand in ihren Nacken, mit der anderen berührte er sacht ihre Schulter. Sein Mund strich zärtlich über ihr Gesicht, als wolle er mit seinen Küssen ihr Antlitz streicheln. Als sich ihre Lippen unter einem tiefen Seufzer öffneten, senkte er sich über sie. Er küsste sie lange und tief, zuerst vorsichtig und zärtlich, als erwarte er doch noch Gegenwehr, dann mutiger und forschend. Seine Finger glitten hinab, umfassten behutsam ihre Brüste und begannen, deren Konturen nachzuzeichnen.
    Ein Schauer lief durch ihren Körper. Christiane stöhnte auf.
    Um Luft ringend, hob Wolfgang den Kopf, sah verwundert auf sie nieder, als könne er nicht glauben, dass er sie eben noch geküsst hatte. »Ich werde nichts tun, was du nicht möchtest«, versprach er.
    »Das weiß ich. Aber ich möchte es.«
    Er lächelte sie an. In seinen Augen funkelten Sterne. Ohne sie mit seinen Blicken loszulassen, trat er gegen die Tür, die mühelos aufschwang.
    Später lag sie entkleidet und mit einem Laken bedeckt auf ihrem Lager und beobachtete ihn – aufgeregt, neugierig und erfüllt von Vorfreude. Er besaß einen kräftigen, muskulösen Körper – vielleicht trainierte er ihn beim Fechten –, auf seiner Brust lockte sich ein dunkler Flaum. Offenbar hatte er nichts dagegen, dass sie ihn bewunderte. Er reagierte nicht einmal mit Abwehr, als sie interessiert auf jenen pulsierenden Teil schaute, den sie bei Severin nie hatte ansehen dürfen. Wie schön er war!
    Eine unangenehme Frage stellte sich ein: Wartete eigentlicheine Gemahlin in Frankfurt auf ihn? Sie wusste es nicht, genau genommen wusste sie nichts von diesem Mann, der sich neben das Lager kniete und begann, sie mit seinen Fingern zu erforschen. Sie kannte nur die Aufrichtigkeit in seinen Augen, die Zärtlichkeit seiner Hände. Es war müßig, darüber nachzudenken, denn es spielte keine Rolle, ob er verheiratet war oder nicht. Sie wollte nicht mehr von ihm als diesen Moment des Vergessens und des Glücks.
    Sie ergab sich ihrem Verlangen. Zur Umkehr war es ohnehin zu spät. Als er sich auf sie legte, sie seine Haut auf ihrer Haut spürte, vergaß sie endgültig ihre Sorgen und jene Zurückhaltung, die von einer Dame erwartet wurde, die noch dazu eine junge Witwe und gerade einem Mörder entronnen war. Wolfgangs Begierde riss sie in schwindelnde Höhen, und sie überließ sich ihm mit jenem sinnlichen Vertrauen, das nur mit grenzenloser Erfüllung einhergeht.
    Flüchtig dachte er daran, dass er nun niemals einen Brief an Amalie schreiben würde.

Frankfurt am Main,
Ende September 1555
E PILOG
    Die kleine Faust schoss hervor und stieß in den Turm aus Bauklötzen, den Christiane liebevoll errichtet hatte. Polternd fielen die Steine durcheinander und rollten unter dem Kichern des Jungen über den Boden. Christiane, die neben Johannes in der Hocke saß, nahm den Kleinen in den Arm und lachte mit ihm.
    Nie hätte sie für möglich gehalten, dass das Schicksal noch so viel Sorglosigkeit für sie bereithielt. Und so viel Glück.
    Wolfgang Delius war Anfang Juni von Augsburg nach Venedig aufgebrochen, wie er es geplant hatte. Die meisten deutschen Verleger deckten sich mit lateinischen oder italienischsprachigen Werken ein, erklärte er ihr, sie ließen die Bücher übersetzen und mit dem eigenen Kolophon im Bereich ihres Privilegs drucken. Es war notwendig, dass er die Reise antrat, sie wusste es, aber Christiane war überzeugt gewesen, das Herz würde ihr brechen, wenn er durch das Stadttor und von ihr fortritt. Doch das tat es nicht. Vor allem, da er ihr das Versprechen gab, zurückzukehren und sie dann als seine Gemahlin nach Frankfurt mitzunehmen.
    Christiane litt unter ihrer Sehnsucht nach dem Mann, den sie liebte. Sie hatte jedoch wenig Zeit, darüber nachzudenken: In den Wochen seiner Abwesenheit war sie damit beschäftigt, Meitingers Haushalt aufzulösen und nebst Druckerei an den meistbietenden Interessenten zu verkaufen. Damit bezahlte sie Severins Schulden. Dergestalt ausgefüllt, nahm sie
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