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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone
Autoren: Elizabeth Chadwick
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zwölf Jahre älter als sie und bei ihrer Abreise nach Deutschland schon ein junger Mann gewesen, dennoch herrschte zwischen ihnen vom ersten Moment an wieder die alte Vertrautheit von damals. Es war, als lege man ein altes Lieblingsgewand an, das jahrelang in einer Truhe gelegen hatte, und fühle sich augenblicklich wieder wohl darin.
    »Ich weiß ja nicht, inwiefern Brian deinen Unmut erregt hat, aber ich hoffe, du gehst nicht zu hart mit ihm ins Gericht.«
    »Er hat nicht meinen Unmut erregt, im Gegenteil, ich bin mit seinem Pferd sehr zufrieden. Es ist nur … meine ganze Welt ist aus den Fugen geraten.«
    Ihr Halbbruder warf ihr einen mitfühlenden Blick zu, als sie auf den Turmeingang zusteuerten.
    »Es tut mir leid, dass du als trauernde Witwe heimgekommen bist. Ich hätte mir auch glücklichere Umstände gewünscht.«
    »Schon gut«, murmelte sie. »Es stimmt, ich trauere sehr um meinen Mann, aber ich muss nach vorne schauen und an die Zukunft denken. Deswegen bin ich schließlich hier, nicht wahr? Mein Vater hat aus Gründen nach mir geschickt, die nichts mit meinem Kummer zu tun haben.«
    Robert erwiderte nichts darauf, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
    Die Türen der großen Halle standen zu ihrem Empfang weit offen, und ein mit Blumen bestreuter langer roter Läufer war für sie ausgelegt worden. Zu beiden Seiten standen die Höflinge Spalier. Kleider raschelten, und Juwelen klirrten leise, als sie nacheinander auf die Knie sanken. Matilda schritt majestätisch, den Blick starr nach vorne gerichtet, an ihnen vorbei, die Verkörperung kaiserlicher Würde. Das Zeremoniell und die ihr entgegengebrachten Ehrenbezeugungen waren Balsam für ihre Seele.
    Am Ende der Halle standen auf einem Podest zwei kunstvoll gearbeitete Throne. Während ihr Vater mit einem mit Edelsteinen besetzten Stab in der Hand auf dem größeren Thron Platz genommen hatte, saß seine in ein mit Perlen und Amethysten verziertes Gewand aus schimmernder silberner Seide gehüllte Königin auf dem kleineren neben ihm. Matilda blieb am Fuß des Podestes stehen, kniete nieder und senkte den Kopf. Robert, der sich einen Schritt hinter ihr hielt, tat es ihr nach.
    Sie hörte das Gewand ihres Vaters über den Boden schleifen, als er aufstand. Mit leisen Schritten stieg er die Stufen hinunter.
    »Meine geliebte Tochter.« Er beugte sich zu ihr, nahm ihre Hände und küsste sie auf beide Wangen. Dann zog er sie auf die Füße. »Willkommen daheim.«
    Matilda musterte ihn verstohlen. Während der letzten sechs Jahre hatten sich die Falten in seinem Gesicht vermehrt und vertieft. Sein Haar war grauer und schütterer geworden, die Tränensäcke unter seinen Augen größer, doch seine grauen Augen waren immer noch hart und durchdringend. Jetzt allerdings leuchteten sie warm auf, und sein Lächeln war echt.
    »Sire«, murmelte sie, bevor sie sich abwandte, um vor ihrer Stiefmuter Adeliza, ein Jahr jünger als sie und zart und schmal wie ein junges Reh, zu knicksen und von ihr in die Arme geschlossen zu werden.
    »Ich bin so froh, dass du hier bist, Tochter«, begrüßte Adeliza sie liebevoll.
    »Mutter.« Das ungewohnte Wort kam ihr nur mühsam über die Lippen.
    Adelizas belustigt funkelnde Augen verrieten ihr, dass ihre Gedanken in dieselbe Richtung gingen.
    »Ich hoffe, dir wirklich eine Mutter sein zu können«, sagte sie. »Aber noch stärker hoffe ich, dass wir Freundinnen und Gefährtinnen werden.«
    Matildas Vater bot ihr seinen Arm, führte sie an den Reihen der versammelten Höflinge vorbei und stellte sie den bedeutendsten von ihnen vor. Nicht alle waren vertreten; einige hatten anderswo zu tun oder waren in England geblieben, aber die Anzahl derer, die sich eingefunden hatten, war dennoch beachtlich: Bigod, D’Albini, Aumale, de Tosney, Martel, der Erzbischof von Rouen, der Abt von Bec, ihre beiden Blois-Vettern Theobald und Stephen. Letzterer war durch seine junge Frau Maheut zum Grafen von Boulogne aufgestiegen.
    »Es tut mir leid, dass dich ein so schwerer Verlust getroffen hat, Base«, sagte Stephen. »Ich möchte dir mein aufrichtiges Beileid aussprechen.« Seine Stimme klang ernst und feierlich, dennoch blieb Matilda argwöhnisch, denn vieles war nicht das, was es zu sein schien. Sie würde Stephens Bemerkung vorerst als bedeutungslose Höflichkeitsfloskel werten.
    »Ich sehe dich noch als kleines Mädchen mit langen Zöpfen vor mir«, fügte er lächelnd hinzu.
    Eine verschwommene Erinnerung stieg in ihr auf.
    »Du hast immer
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