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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Eures Vaters«, erwiderte er mit unbewegtem Gesicht, aber seine Augen funkelten.
    Matilda schlug hastig die Hand vor den Mund, weil sie beinahe laut gelacht hätte. Es liegt am Wein, dachte sie, und ich bin erschöpft. Plötzlich schnürte sich ihre Kehle vor Kummer zusammen. Diese Mischung aus Politik und Kokettieren erinnerte sie allzu sehr daran, was sie einst mit Heinrich geteilt hatte, und der Schmerz über den Verlust flammte erneut auf. Sie bemühte sich, ein Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.
    »Ich bin in der Tat meines Vaters Tochter. Wenn Ihr mir nicht sagen könnt, was die Zukunft für mich bereithält, dann erzählt mir wenigstens etwas über den englischen Hof, damit ich vorbereitet bin.«
    Er bot ihr mehr Wein an, und als sie den Kopf schüttelte, schenkte er sich selbst nach.
    »Wenn Ihr mit dem Hof Eures Mannes vertraut wart, dann werdet Ihr Euch rasch eingewöhnen. Es ist derselbe Menschenschlag.«
    »Aber wer ist Freund, und wer ist Feind? Wem kann ich trauen, und wer verfügt über nützliche Fähigkeiten?«
    »Darüber müsst Ihr Euch selbst ein Urteil bilden, Herrin, und Euch auf den Rat Eures Vaters verlassen.«
    »Also wollt Ihr mich auch in diesem Punkt im Ungewissen lassen?«
    Er stieß vernehmlich den Atem aus.
    »Euer Vater ist von Männern umgeben, die ihm treu dienen. Euer Bruder, der Earl of Gloucester, wird sich aufrichtig über Eure Rückkehr freuen. Und Eure Vettern Stephen und Theobald werden gleichfalls dort sein.«
    Sein Gesicht verriet nicht, was er dachte. Matilda konnte sich verschwommen an ihre Blois-Verwandtschaft erinnern. Ältere Jungen, die ihr, einem Mädchen, wenig Beachtung geschenkt hatten, wenn sie sie und ihre Mutter nicht gerade im Rahmen ihrer Knappenausbildung bei Tisch bedienen mussten.
    »Stephen hat vor kurzem geheiratet, nicht wahr?« Sie hatte einen Brief erhalten, war aber zu sehr in der Sorge um ihren kranken Mann gefangen gewesen, um sich eingehender damit zu befassen.
    »Das hat er, und zwar Maheut, die Erbin von Boulogne. Ein politischer Schachzug, den Euer Vater eingefädelt hat. So werden seine nördlichen Grenzen gestärkt.«
    Matilda runzelte nachdenklich die Stirn. Maheut of Boulogne war ihre Base mütterlicherseits, Stephen der Neffe ihres Vaters – die Familienbande waren in der Tat sehr stark. Was bezweckte ihr Vater mit all den Fäden, die er spann? Er war ein Meister in der Kunst, raffinierte politische Muster zu weben.
    »Wie ist Stephen denn heute so?«
    Brian zuckte die Achseln.
    »Seit seiner Heirat etwas ruhiger und gesetzter. Er ist ein guter Reiter und Soldat, gewinnt leicht Freunde, und Euer Vater ist ihm sehr zugetan.«
    Seine Einschätzung flößte Matilda Unbehagen ein. Stephen hatte, im Gegensatz zu ihr, die Zeit gehabt, sich bei ihrem Vater einzuschmeicheln und seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    »Ihr auch?«
    Er zögerte merklich.
    »Auf der Jagd ist er ein guter Kamerad, und wir verstehen uns recht gut. Er weiß, wann er mich meinen Büchern und Gedanken überlassen muss, und ich weiß, wann er die Gesellschaft anderer Männer vorzieht. Seine Frau gibt ihm Rückhalt und vernünftige Ratschläge.« Brian hob seinen Becher an die Lippen und trank. »Euer Vater hat Waleran de Meulan eingekerkert, weil er sich gegen ihn aufgelehnt hat, und er wird immer noch von William le Clito bedroht.«
    »Das ist mir bekannt.« Sie winkte ungeduldig ab. »William le Clito wird niemals König werden, weil er gar nicht die Fähigkeiten dazu hat, und es war ein Fehler von Waleran de Meulan, ihn zu unterstützen.«
    »Mag sein, aber trotzdem wird das die Politik Eures Vaters beeinflussen und seine nächsten Schritte bestimmen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass er Stephen so gefördert hat – als Gegengewicht.«
    Eine Windbö zerrte an der Zeltwand. Ihre Kraft belebte Matilda. Sie wollte, dass sie alles mit sich riss und die Welt makellos zurückließ. Ihr Vater hatte seinen Thron gegen mächtige Gegner verteidigt. Er hatte seinem unbesonnenen älteren Bruder Robert England und die Normandie abgerungen und ihn ins Gefängnis geworfen, wo er bis zum heutigen Tage schmachtete. Doch Robert hatte einen Sohn, William le Clito, einen weiteren Vetter von Matilda, der Ansprüche auf den Thron erhob. Einflussreiche junge Hitzköpfe wie Waleran de Meulan standen auf seiner Seite, und obwohl ihr Vater den Aufstand so mühelos niedergeschlagen hatte, wie ein Soldat ein gefährliches kleines Feuer austritt, hing der Rauch noch in der Luft.
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