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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone
Autoren: Elizabeth Chadwick
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griff nach dem in der Mitte stehenden goldenen Kreuz und betrachtete die Juwelen und die Filigranarbeit mit Kennermiene. Dann musterte er den goldenen Kerzenleuchter und das aus Blattgold und Lapislazuli angefertigte Bild der Jungfrau Maria mit dem Christuskind.
    »Du hast heute Abend einen guten ersten Eindruck hinterlassen«, sagte er. »Ich war sehr zufrieden mit dir.« Sein Blick fiel auf eine längliche Lederschatulle auf einem Tisch neben dem Altar. »Ist es das, wofür ich es halte?« Ein gieriger Funke glomm in seinen Augen auf.
    Matilda knickste vor dem Bild der Heiligen Jungfrau, bevor sie einen Schlüssel aus einer kleinen goldenen Schale auf dem Altar nahm und damit die Schatulle aufschloss.
    »Ich wurde am Jakobitag getraut«, erwiderte sie. »Heinrich und ich haben diesem Tag immer eine besondere Bedeutung beigemessen. Dieses Kleinod hier gehört mir, ich kann damit verfahren, wie es mir beliebt, und es ist mein Wunsch, es zu Ehren der Seelen meines Bruders und meiner Mutter der Abtei Reading zu stiften.« Sie öffnete die Schatulle. Ein lebensgroßer hohler linker Unterarm aus Gold kam zum Vorschein, der auf einem mit Edelsteinen besetzten Sockel befestigt war. Der Arm war mit einem eng anliegenden Ärmel mit juwelengeschmückter Manschette bekleidet, Zeige- und Mittelfinger in einer segnenden Geste erhoben.
    Ihr Vater stieß langsam den Atem aus.
    »Die Hand des heiligen Jakob«, murmelte er ehrfürchtig. »Das hast du gut gemacht, meine Tochter.« Er machte keine Anstalten, die Reliquie von ihrem Sockel zu lösen, denn das hätte in dieser weltlichen Umgebung von mangelndem Respekt gezeugt, aber er legte die Finger besitzergreifend auf das Gold. »Sie haben sie dir widerstandslos überlassen?«
    »Mein Mann sagte vor seinem Tod, ich solle sie bekommen«, wich Matilda aus.
    Er warf ihr einen Blick zu. »Weiß der neue Kaiser davon?«
    »Mittlerweile mit Sicherheit. Findest du, dass ich sie zurückgeben sollte?«
    Ihr Vater schüttelte hastig den Kopf.
    »Der letzte Wunsch eines Sterbenden sollte stets respektiert werden. Die Abtei Reading wird über dieses Geschenk einer Kaiserin – und vielleicht einer künftigen Königin – hocherfreut sein.« Er nickte ihr viel sagend zu.
    Sie wartete darauf, dass er weitersprach, aber er begnügte sich mit einem rätselhaften Lächeln. »Diese Dinge müssen wir nicht hier und jetzt besprechen. Lebe dich erst einmal ein, dann reden wir weiter.«
    Sie knickste vor ihm, er küsste ihre Braue und verließ mit beschwingten Schritten das Zimmer.
    Adeliza folgte ihm nicht, sondern ging zu der Reliquie des heiligen Jakob, um sie eingehender zu betrachten.
    »Verfügt sie über heilende Kräfte?«
    »Man sagt es.«
    Ihre Stiefmutter biss sich auf die Lippe.
    »Glaubst du, dass sie einer unfruchtbaren Frau zu helfen vermag?«
    »Ich weiß es nicht.« Matilda hatte den Heiligen selbst um Hilfe angefleht, und ihre Gebete waren erhört worden, aber das Baby war direkt nach der Geburt gestorben, und sie kannte Adeliza noch nicht gut genug, um ihr derartige Dinge anzuvertrauen.
    Adeliza seufzte.
    »Ich weiß, dass ich mich Gottes Willen fügen muss, aber das ist schwer, denn meine oberste Pflicht besteht ja darin, ein Kind zu empfangen.«
    Matilda empfand plötzlich tiefes Mitleid mit ihr, da sie sich in einer ähnlichen Situation befunden hatte: Auch sie war mit einem älteren Mann verheiratet worden und Monat für Monat den prüfenden Blicken der Leute ausgesetzt gewesen, die darauf lauerten, dass ihr Bauch sich rundete. Hatte der Mann bereits mit anderen Frauen Kinder gezeugt, erhöhte sich der Druck noch.
    »Er spielt mit dem Gedanken, dich zu seiner Erbin zu machen, das ist dir sicherlich klar.«
    Matilda nickte.
    »Ich weiß auch, dass ich nicht die einzige Kandidatin bin, die er in Erwägung zieht. Mein Vater hat immer einen Plan und einen Notplan und noch einen Plan, der sowohl den ursprünglichen als auch den Notplan stützt.« Sie musterte Adeliza abschätzend. »Ich respektiere ihn, und ich kenne meine Pflicht, aber er kann noch so oft behaupten, mich als seine Tochter zu lieben, ich weiß trotzdem, dass ich nur eine Figur auf seinem Schachbrett bin. So wie wir alle.«
    »Er ist ein großer König«, hielt Adeliza bestimmt dagegen.
    »Zweifellos«, stimmte Matilda zu, während sie dachte, dass der Nachfolger ihres Vaters, wer immer er auch sein mochte, noch mehr Größe zeigen musste, um die Lücke zu füllen, die der letzte Sohn William des Eroberers hinterlassen
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