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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin
Autoren: Philippa Gregory
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wird die Menschen dieses
Landes lehren, dass jeder Mann und jede Frau ihr eigenes Gewissen
befragen und ihren eigenen Weg zu Gott finden müssen. Sie wird diesem
Lande Frieden und Wohlstand bringen. Ihr habt das Beste getan, was Ihr
für Euer Land vermochtet, und nun habt Ihr eine würdige Nachfolgerin.
Elisabeth wird nie eine Frau sein, wie Ihr eine wart, doch sie wird
England eine gute Herrscherin sein, das weiß ich.«
    Die Königin hob ein wenig den Kopf, und ihre Augenlider
flatterten. Noch einmal traf mich der gerade, ehrliche Blick ihrer
Augen, dann schlossen sie sich, und sie lag still.
    Ich wartete den Auszug der Dienerschaft nach
Hatfield nicht ab. Ich packte meine Sachen, nahm Danny an der Hand und
bestieg ein Boot nach Gravesend. Ich zeigte dem Kapitän meinen
Geleitbrief vor, und er versprach mir im nächsten Schiff einen Platz
auf dem Zwischendeck. Wir mussten einen oder zwei Tage warten, dann
gingen Danny und ich an Bord eines kleinen Seglers und fuhren nach
Calais.
    Danny war begeistert von dem Schiff, den schaukelnden Planken
unter seinen Füßen, dem Anrollen der Wogen, den knarrenden Segeln und
den Schreien der Möwen. »Meer!«, rief er ein ums andere Mal freudig
aus. Er nahm mein Gesicht in seine kleinen Hände und schaute mich mit
seinen riesigen, dunklen Augen an, versuchte, mir seine Freude
begreiflich zu machen. »Meer. Mama! Meer!«
    »Was hast du gesagt?«, fragte ich betroffen. Niemals hatte er
dieses Wort gebraucht, ich hatte immer erwartet, er werde ›Hannah‹ zu
mir sagen. Ich hatte gar nicht daran gedacht – vielleicht
hätte ich es tun sollen –, aber ich hatte niemals erwartet,
dass er mich ›Mutter‹ nennen würde.
    »Meer«, wiederholte er gehorsam und strampelte in meinem Arm,
bis ich ihn auf den Boden setzte.
    Calais war völlig verändert. Die Stadtmauer
war an vielen Stellen durchbrochen, die Festungsmauern mit schwarzem
Pech verschmiert, die Steine vom Feuer geschwärzt. Mit grimmiger Miene
betrachtete der Kapitän die englischen Schiffe im Hafen, die an ihren
Anlegern verbrannt waren wie Ketzer auf dem Scheiterhaufen. Elegant
legte er am Kai an und schritt die Laufplanke hinunter wie zu einem
Kampf. Ich nahm Danny auf den Arm und folgte ihm in die Stadt.
    Es war ein Albtraum, die Ruinen meiner früheren Heimat zu
betreten. Ich erkannte Straßen und Häuser, doch bei einigen fehlten
Wände oder Dächer, und am schlimmsten hatte es die strohgedeckten
Häuser getroffen – sie waren sämtlich niedergebrannt.
    Ich wollte nicht durch die Straße gehen, in der ich mit meinem
Mann gelebt hatte, aus Angst, was ich dort vorfinden würde. Sollte
unser Haus noch stehen, und sollten seine Mutter und seine Schwestern
immer noch dort wohnen, so wusste ich nicht, wie ich um Versöhnung
bitten sollte. Sollte ich Daniels Mutter treffen und sie wäre wütend
auf mich und wollte mir Danny wegnehmen, dann würde ich nicht wissen,
was ich tun oder sagen sollte. Aber noch schlimmer wäre es, in der
Straße gar nichts mehr vorzufinden.
    Deshalb folgte ich dem Kapitän und seiner bewaffneten Garde
mit der weißen Friedensflagge zur Festung. Wir wurden bereits erwartet:
Der Kommandant trat vors Tor und redete in raschem Französisch auf
unseren Kapitän ein. Dieser musste sich zusammenreißen, um nicht wütend
zu werden, denn er verstand vielleicht ein Wort von dreien. Schließlich
richtete er sich auf und sagte betont laut und langsam: »Ich bin
gekommen, um die Engländer zu holen, wie es nach dem Friedensvertrag
vereinbart wurde, und ich erwarte, sie unverzüglich vorgeführt zu
bekommen.«
    Als er keine Antwort erhielt, wiederholte er sein Begehr mit
ein wenig schrillerer Stimme.
    »Kapitän, soll ich vielleicht für Euch sprechen? Ich
beherrsche die französische Sprache«, erbot ich mich.
    Erleichtert wandte sich der Kapitän zu mir um. »Könnt Ihr? Das
würde helfen. Warum antwortet dieser Tölpel mir nicht?«
    Ich trat einen Schritt vor und sagte auf Französisch zu dem
Kommandanten: »Kapitän Gatting bittet um Vergebung, doch er kann kein
Französisch. Ich kann für Euch übersetzen. Ich bin Madame Carpenter.
Ich bin gekommen, um meinen Mann abzuholen, für den ein Lösegeld
bezahlt wurde, und der Kapitän möchte die anderen Männer holen. Unser
Schiff wartet im Hafen.«
    Der Kommandant verneigte sich. »Madam, ich bin Euch sehr
verbunden. Die Männer haben sich gesammelt und sind bereit zur Abreise.
Zuerst werden die Zivilisten freigelassen, dann werden die Soldaten
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