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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin
Autoren: Philippa Gregory
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du
getötet worden wärest, hätten sie deine Leiche gefunden.«
    Ich bewegte unbehaglich die Schultern. Daniel wackelte auf
mich zu und streckte mir die Arme entgegen. »Dan'l hoch!«, kommandierte
er.
    »Warte einen Moment«, sagte ich zerstreut. Ich wandte mich
wieder an Lord Robert. »Versteht doch: Falls jemand ihm gesagt haben
sollte, dass ich mit Euch gesegelt bin …«
    »Dann weiß er, dass du am Leben bist und wo er dich finden
kann«, gab er logisch zurück. Dann schlug er sich an die Stirn. »Holder
Knabe, du hast mir also die ganze Zeit etwas vorgemacht! Ihr habt euch
auseinandergelebt, nicht wahr? Und nun fürchtest du, er könnte denken,
du seist mit mir durchgegangen? Und dass er dich nicht suchen kommt,
weil er dich verstoßen hat? Mich willst du zwar nicht mehr, aber ihn
hast du verloren, und alles, was dir geblieben ist, ist sein
Sohn …« Er brach ab, plötzlich von Zweifeln erfüllt. »Er ist
doch der Sohn deines Mannes, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte ich nachdrücklich.
    »Ist er auch dein Sohn?« Eine Ahnung sagte ihm wohl, dass hier
eine Lüge verborgen war.
    »Ja«, erwiderte ich, ohne zu zögern.
    Lord Robert lachte hell auf. »Mädchen, du bist wirklich ein
Närrchen! Du liebst ihn erst, seit du ihn verloren hast.«
    »Ja«, gab ich knirschend zu.
    »Nun ja, das ist eher weiblich als närrisch«, gestand er mir
zu. »Frauen lieben Männer am meisten, wenn sie sie verloren haben oder
wenn sie sie nicht bekommen können. Wehe, meine kleine Närrin! Du
solltest besser an Bord gehen und so schnell wie möglich zu deinem
Daniel fahren. Sonst kommt er aus dem Gefängnis und fliegt davon, und
du kannst ihn nie mehr ausfindig machen.«
    »Kann ich denn eine Passage nach Calais bekommen?«, fragte ich
geradeheraus.
    Er überlegte einen Moment. »So einfach ist das
nicht … Aber du könntest mit dem Schiff hinüberfahren, das
meine Soldaten heimholt. Ich gebe dir einen Geleitbrief mit.«
    Er schnippte mit den Fingern nach einem Stallburschen und
schickte diesen auf die Suche nach einem Schreiber mit Papier und
Feder. Als der Schreiber erschien, diktierte Lord Robert ihm drei
Zeilen, die mir und meinem Sohn freien Zugang zum Schiff ermöglichten.
    Ich knickste tief und voller ehrlich empfundener Dankbarkeit.
»Ich danke Euch, Mylord«, sagte ich. »Ich danke Euch von ganzem Herzen.«
    Lord Robert lächelte auf seine ganz eigene, gewinnende Art.
»Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, liebste kleine Närrin. Doch
das Schiff legt binnen einer Woche ab. Wirst du es über dich bringen,
die Königin zu verlassen?«
    »Sie schwindet rasch dahin«, sagte ich nachdenklich. »Deshalb
war ich in solcher Eile, wieder abzureisen. Sie harrt aus, um
Elisabeths Antwort noch zu hören.«
    »Nun, dann danke ich dir für diese Mitteilung, die du mir ja
früher nicht geben wolltest.«
    Ich biss mir auf die Lippe, als mir aufging, dass alles, was
ich ihm erzählte, sogleich Elisabeth und ihren Getreuen hinterbracht
werden würde, damit sie den rechten Augenblick zur Erstürmung des
Thrones abpassen konnten.
    »Das ist nicht schlimm«, beschwichtigte er. »Die Hälfte ihrer
Ärzte steht in unserem Dienst und informiert uns über ihr Befinden.«
    Nun trat John Dee näher. »Und – hast du der
Prinzessin ins Herz schauen können?«, fragte er leise. »Konntest du
sehen, ob es ihr ernst ist mit ihrem Schwur, den wahren Glauben zu
bewahren? Glaubst du, sie wird eine katholische Königin?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte ich. »Ich werde auf dem Heimweg
um göttlichen Beistand beten.«
    Robert wollte etwas dazu sagen, doch John Dee legte ihm die
Hand auf den Arm. »Hannah wird der Königin schon das Rechte sagen. Sie
weiß, dass es keine Rolle spielt, welche Königin auf dem Thron sitzt
oder welcher Name Gottes verehrt wird, sondern dass es vor allem darauf
ankommt, diesem Lande Frieden zu bringen, auf dass es ein freies Land
wird, das den Verfolgten Asyl und Schutz gewährt.« Er hielt inne, und
ich dachte an meinen Vater und mich: Auch wir waren damals nach England
gekommen, weil wir uns einen sicheren Hafen erhofften.
    »Es kommt darauf an, dass die Menschen ihren Glauben wählen
können, dass sie einen Gott anbeten, dem sie einen Namen nach ihrem
Wunsch geben können. Es kommt darauf an, ein starkes Land zu
erschaffen, eine Bastion des Guten in der Welt, ein Land, in dem
Menschen Fragen stellen und lernen können. Das Schicksal dieses Landes
erfüllt sich darin, ein Ort zu sein, an dem Menschen frei sein
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