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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin
Autoren: Philippa Gregory
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zum Hafen abmarschieren. Ihre Waffen werden sie nicht
zurückerhalten. Seid Ihr mit diesen Bedingungen einverstanden?«
    Ich übersetzte für den Kapitän, der mich mit einem finsteren
Blick bedachte. »Wir sollten diese Waffen zurückbekommen«, machte er
geltend.
    Ich zuckte nur die Achseln. Alles, woran ich denken konnte,
war Daniel, der irgendwo in der Festung seiner Freilassung harrte. »Das
können wir nicht.«
    »Sagt ihm, es sei in Ordnung so. Sagt ihm aber auch, dass ich
nicht ganz befriedigt bin«, murrte der Kapitän erbittert.
    »Kapitän Gatting ist einverstanden«, übersetzte ich für den
Kommandanten.
    »Bitte tretet ein.« Der Kommandant führte uns über die
Zugbrücke. Hinter einer weiteren Festungsmauer mit einem Fallgatter lag
der innere Hof, auf dem ungefähr zweihundert Mann warteten, die
Soldaten in einem Block, die Zivilisten in einem anderen. Ich suchte
die Reihen nach Daniel ab, konnte ihn aber nicht finden.
    »Kommandant, ich suche meinen Mann, Daniel Carpenter, einen
Zivilisten«, sagte ich. »Ich sehe ihn nicht und sorge mich, dass ich
ihn in dieser Menge nicht finde.«
    »Daniel Carpenter?«, vergewisserte er sich. Er gab Order an
den Mann, der die Zivilisten bewachte.
    »Daniel Carpenter!«, bellte dieser.
    Mitten aus den Reihen trat ein Mann hervor. »Wer fragt nach
Daniel Carpenter?«, erkundigte sich mein Mann.
    Die Welt verschwamm vor meinen Augen.
    »Ich bin Daniel Carpenter«, sagte Daniel ohne das geringste
Zittern in der Stimme. Jetzt, da die Freiheit nur noch einen
Katzensprung entfernt war, trat er mutig vor und sah jeder neuen Gefahr
ins Auge.
    Der Kommandant winkte ihm, vorzutreten, und trat einen Schritt
beiseite, damit ich ihn sehen konnte. Daniel erbleichte. Er sah älter
aus und ein wenig müde, er hatte abgenommen, aber das kam nur vom
Winter und vom Mangel an Licht. Ansonsten war er derselbe geblieben. Er
war mein geliebter Daniel mit seinem dunklen, lockigen Haar und den
dunklen Augen und dem Mund, der zum Küssen einlud – und diesem
besonderen Lächeln, das nur mir gehörte und das sowohl verführerisch
als auch beschützend war.
    »Daniel«, flüsterte ich. »Mein Daniel!«
    »Ah, Hannah«, sagte er ruhig. »Du bist es.«
    Hinter uns unterschrieben die Zivilisten auf der Liste und
gingen hinaus in die Freiheit. Ich hörte weder die gebrüllten Befehle
noch das Marschieren der vielen Füße. Alles, was ich wahrnahm, war
Daniel.
    »Ich bin geflohen«, bekannte ich. »Es tut mir leid. Ich hatte
Angst und wusste nicht, wohin. Lord Robert verschaffte mir eine
Überfahrt nach England, und ich ging in den Dienst der Königin zurück.
Ich habe dir einmal geschrieben. Ich wäre auch niemals ohne dich
fortgegangen, wenn ich nur Zeit zum Nachdenken gehabt hätte.«
    Langsam trat er zu mir und nahm meine Hand. »Ich habe jede
Nacht von dir geträumt«, sagte er leise. »Ich glaubte, du hättest mich
für Lord Robert verlassen, als sich die Möglichkeit bot.«
    »Nein! Niemals. Ich wusste damals schon, dass ich bei dir sein
wollte. Ich habe versucht, dir einen Brief zu schicken. Ich habe
versucht, dich zu erreichen. Ich schwöre es, Daniel. Seit meiner Flucht
habe ich an niemanden gedacht als an dich.«
    »Bist du zurückgekommen, um meine Frau zu sein?«, fragte er
schlicht.
    Ich nickte. In diesem höchst wichtigen Moment hatte mich meine
Beredsamkeit verlassen. Ich konnte nicht sprechen. Ich konnte mich
nicht verteidigen, ich konnte ihn in keiner der vielen Sprachen, die
ich beherrschte, überzeugen. Ich konnte nicht einmal flüstern. Ich
nickte nur mit Nachdruck, und Danny, die Ärmchen um meinen Hals
geschlungen, gluckste vor Vergnügen und ahmte mein heftiges Nicken nach.
    Ich hatte gehofft, Daniel würde sich freuen und ihn in seine
Arme nehmen, doch er blieb ganz ernst. »Ich werde dich wieder zu meiner
Frau nehmen«, sagte er feierlich. »Und ich werde dir keine Fragen
stellen. Wir werden nicht mehr über diese Zeit unserer Trennung
sprechen. Du wirst niemals einen Vorwurf von mir hören, das verspreche
ich dir, und ich werde diesen Knaben aufziehen, als wäre er mein
eigener Sohn.«
    Einen Augenblick lang begriff ich nicht, wovon er sprach, doch
dann schnappte ich nach Luft. »Daniel, er ist dein Sohn! Dies ist dein
Kind, der Sohn deiner Geliebten aus Calais. Er ist ihr Kind. Wir waren
auf der Flucht vor der französischen Kavallerie, und sie wurde getötet.
Sie gab mir Danny, kurz bevor sie starb. Es tut mir leid, Daniel. Sie
war sofort tot. Und dies ist dein Sohn,
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